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Besprechungen

22. Schocktober: "The Springfield Files" - The Simpsons (1997)

Filmstill (Ausschnitt) Fox TV Filmstill (Ausschnitt)

Diese Episode aus der Fernsehserie The Simpsons erlangte in kürzester Zeit Kultstatus. Das liegt unter anderem an der Parodie der Serie The X-Files (Akte X).

Aus der Mediengruft: Medienwissenschaftliche Besprechung

SF 5„The Springfield Files“ oder zu Deutsch „Die Akte Springfield“ gehört zu den wohl bekanntesten Episoden der beliebten Serie The Simpsons. Absolut im Zeitgeist verankert parodiert diese Episode nicht nur Akte X, deren Hauptdarsteller hier ihre Rollen als FBI Agenten Fox Mulder (David Duchovny) und Dana Scully (Gillian Anderson) selbst sprechen, sondern spielt bei der Inszenierung zusätzlich mit vielen Horrorklischees und parodiert diese köstlich pointiert. Eingerahmt werden die Geschehnisse in dieser Episode von Leonard Nimoy, der sich ebenfalls selbst spricht, durch eine Anmoderation, die deutlich macht, dass die Inhalte der heutigen Episode nicht stattgefunden haben. Das Ganze ist ähnlich aufgebaut wie die Rahmenmoderationen von Serien á la Alfred Hitchcock präsentiert…, Twillight Zone, X-Faktor: Das Unfassbare oder Tales from the Crypt. Bereits Nimoys eröffnender Monolog parodiert dieses TV-Genre und entzaubert das „Mythische“ an dieser Art von Sendung. Das ist umso witziger, wenn man weiß, das Nimoy selbst von 1976 bis 1982 ein solches „dokumentarisches“ Sendeformat moderierte, mit dem Titel In Search of…. Hierzu eine weitere kuriose Randnotiz: Zachary Quinto spielt in den neuen „Star Trek“-Filmen nicht nur Spock, durch dessen Verkörperung Nimoy weltbekannt wurde. Quinto moderiert seit 2018 ebenfalls die Neuauflage von In Search of….

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SF 1Alles beginnt an einem Freitagabend, als Homer in Moes Bar zu viel getrunken hat, um noch selbst nach Hause fahren zu können. Kurzerhand entscheidet sich der etwas benebelte Homer, zu Fuß nach Hause zu gehen. Auf seinem Pfad kreuzt er einige Kuriositäten. Zunächst hört Homer in der Nähe Wölfe heulen. Anschließend wird er von einem Bus verfolgt, in dem ein Orchester das bekannte Musikstück aus Psycho spielt. Dann hält der Bus an und eine der Violinistinnen steigt aus, unterbricht ihr Spiel allerdings nicht. Der Bus fährt weiter und Homer beruhigt sich ein wenig. Er geht weiter, nun allerdings zügigen Schrittes. Plötzlich steht er vor einer großen Werbetafel, auf der in großen Lettern „DIE“ zu lesen ist. Dies verschreckt ihn. Als dann eine Windböe einen Baum bewegt und dadurch am Ende des Wortes der Buchstabe „T“ freigelegt wird, verliert er die Nerven. „Diet“ bedeutet Diät und ist für Homer ein absoluter Albtraum. Er flieht in das nahegelegene Unterholz, rennt über einen umgestürzten Baumstamm, der einen Fluss passierbar macht, und landet am Ende vor einem weiteren Waldstück. Darin bewegt sich eine grünlich schimmernde, humanoide Kreatur, die in einer hohen und freundlichen Stimme ankündigt, die Liebe zu bringen. Homer erleidet einen Schock, rennt und springt von dannen. Niemand will ihm glauben, dass er einen Außerirdischen gesehen hat. Die lokalen Zeitungen berichten zwar über ihn, aber selbst seine eigene Familie macht sich über Homer lustig. Nur die Spezialagenten Mulder und Scully vom FBI nehmen die Sache ernst. Sie fahren nach Springfield, um mit Homer zu sprechen und die Angelegenheit zu untersuchen.

SF 2In dieser Episode wird gekonnt mit Vorurteilen gearbeitet. Homers Einfältigkeit läuft zur Höchstform auf und in puncto Situationskomik ist „Die Akte Springfield“ eine der besten Episoden der Serie überhaupt. Zusätzlich – durch den geschaffenen Rahmen wirkt dies nicht wie ein Bruch mit der eigentlichen Seriendramaturgie der Simpsons – richten sich die Figuren in einem Gespräch direkt an die Zuschauerinnen und Zuschauer. Homer und Bart schmieden den Plan, den Außerirdischen zu filmen. Sollte dieser nicht auftauchen, würden sie das einfach „faken“ und dann das Video an Fox senden, die würden ohnehin jeden Mist bringen, äußert Bart. Homer reagiert darauf mit einem sachlichen Kommentar, in dem er auf die vielen qualitativ hochwertigen Inhalte bei Fox hinweist, die es bei dem Sender sonst im Programm gebe. Es folgt Schweigen, dann lautes Gelächter und endet damit, dass Homer sagt „I kill me.“. Diese Form von Metakritik an dem Produzenten der Serie ist etwas, das man in Family Guy allgegenwärtig spürt. In The Simpsons ist das allerdings in den frühen Staffeln noch sehr dezent verwendet. In der achten Staffel befindet sich dann allerdings diese Szene, die auch in gewisser Weise dafür ein Sinnbild ist, dass die Simpsons auch eine medienkritische Perspektive einnehmen und sich somit ihrer großen Reichweite bewusst sind. Dafür müssen sie sich allerdings von ihrem eigenen Sender distanzieren, um glaubwürdig sein zu können. Dieser Schritt ist in einer Zeit, in der Medieninhalte in der breiten Masse vornehmlich produziert werden, um Geld zu generieren, sehr gewagt, da der Sender die Produktion einfach einstellen könnte. Die Simpsons sind allerdings derart populär, dass Fox auf die Einschaltquoten und Werbegelder nicht verzichten möchte. In dieser Form stellt diese Episode nebenbei auch einen krassen Wendepunkt für die Seriendramaturgie insgesamt dar, denn die Simpsons werden in der Folge deutlich politischer und nehmen in gesellschaftskritischen Diskursen klare Positionen ein.

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SF 3Dieser Umstand bringt zudem das Essenzielle am Independent-US-Horrorfilm auf den Punkt. In Werken wie The Texas Chainsaw Massacre, The Hills have Eyes oder auch Maniac geht es nicht nur um den Schrecken als solchen, es geht auch um gesellschaftliche Veränderungen und soziale Themen, wie etwa um die Ausgrenzung bestimmter Gruppen und Lebensstile innerhalb der Gesellschaft. Dabei greift Horror zu radikalen Motiven und Mitteln, um darauf aufmerksam zu machen. Insofern ist es auch ein Appell an Produzenten, Horrorwerken mehr Raum zu geben, um bestimmte Diskurse thematisieren zu können. Aber da ist dann wieder der Punkt erreicht, an dem das Geld entscheidend ist, ob ein Werk produziert wird oder nicht. The Simpsons hatten mehr als sieben Jahre Zeit, um sich bis zu der beschriebenen Abnabelung vom Geldgeber als erfolgreich zu etablieren. Eine solche Möglichkeit hat ein Filmemacher nur dann, wenn er sich als kommerziell erfolgreich etabliert. Dies lässt das traurige Resümee zu, dass Raum für freie Kritik in Medien nur dort gegeben ist, wo der Faktor von generiertem Geld keine Rolle spielt und Werke mit diesem Hintergrund werden oftmals nur vereinzelt wahrgenommen.

„Die Akte Springfield“ ist eine ganz große Episode von The Simpsons. Gleichzeitig Parodie und Medienkritik und markiert trotz der relativierenden Rahmung einen Wendepunkt in der Seriendramaturgie, hin zu einem kritischeren und unabhängigen Umgang mit den Produzenten und deren Ansichten zu bestimmten Themen. In der Folge ist diese Episode ein zentraler Wendepunkt in The Simpsons, die ihr Heimpublikum in den USA in einer weniger freien Medienlandschaft hat. Auch losgelöst von diesen Faktoren ist „Die Akte Springfield“ eine großartige Episode und ein Glanzstück moderner Comedy.

Infokasten

„Die Akte Springfield“ (OT: „The Springfield Files”)

The Simpsons

Staffel 8, Episode 10

Serienerfinder: Matt Groening, James L. Brooks und Sam Simon

Regie: Steven Dean Moore

Drehbuch: Reid Harrison und Dan Greaney

Production: Gracie Films, 20th Century Fox Television

Verleih: Fox TV

Laufzeit: ca. 22 Minuten pro Episode (auf DVD gibt es zusätzlich eine längere Fassung der Episode)

Erstveröffentlichung: 12.01.1997, USA

USA | 1997

Veröffentlichung: Die Episode ist auf DVD im Handel erhältlich.

Bildrechte: Die Bilder dieses Artikels sind Ausschnitte aus dem besprochenen Medieninhalt. Deren Rechteinhaber können Sie dieser Infobox entnehmen.

Letzte Änderung amDienstag, 22 Oktober 2019 19:11
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

Unter anderem auch das . . .

„Der Verstand ist oft die Quelle der Barbarei; ein Übermaß an Verstand ist es immer.“

– Giacomo Leopardi

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