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Medienkritik im Zeitgeist: Zur Aktualität von Joe Dantes "The Howling"

Empfehlung Filmstill (Ausschnitt) Studiocanal Filmstill (Ausschnitt)

Vortrag zu „The Howling – Das Tier“ am 27.11.2021 im Studio Filmtheater Kiel von Dr. Thomas Heuer

Auch ich möchte Sie herzlich begrüßen und mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. Am heutigen Abend läuft hier zum 40. Jubiläum des Films Joe Dantes The Howling. Das Werk besitzt einige Besonderheiten, die hier erwähnt werden sollen. Anschließend konzentriert sich dieser einleitende Vortrag auf den Aspekt der Inszenierung von Videojournalismus innerhalb des Werkes.

Auffällig an The Howling ist, dass im Mittelpunkt der Geschichte die Journalistin Karen White (Dee Wallace) steht, die während einer Live-Berichterstattung traumatisiert wird. Der Werwolf wird in diesem Film als eine Kreatur gezeigt, die dem Menschen in allen Belangen überlegen ist. In einem zweiten Erzählstrang verfolgt der Film eine weitere Journalistin und ihren Partner, der ebenfalls Journalist ist. Während die zuletzt genannten bei ihrer Recherche auf verschiedene Mythen über Werwölfe stoßen, wird die Protagonistin direkt mit diesen konfrontiert, da der Kurort, an den sie mit ihrem Mann geschickt wird, eine getarnte Werwolf-Enklave sein könnte.

Die Inszenierung des Videojournalismus in diesem Film zielt auf eine Kritik am Verlust der Verantwortungspflicht der Journalist*innen gegenüber deren Rezipient*innen ab. Dieser Aspekt der Inszenierung umrahmt das Werk und liefert im Finale den Hauptgrund, warum der Film heute wieder aktuell ist. Joe Dante streut diese Medienkritik sehr subtil ein und entwickelt diese weiter bis zu einem Blick auf das Publikum, das so vieles von den Medien vermittelt bekommen hat, dass es nicht mehr zu erkennen vermag, wenn etwas Wahres und Schreckliches über die Bildröhre der TV-Geräte flimmert.

So beginnt The Howling mit einer Live-Reportage, bei der Karen White sich in einem Sex-Shop mit dem Serienmörder Eddie (Robert Picardo) treffen will. Das Ziel des Senders ist Quote, es geht darum, den Verbrecher live zu fassen. Hier wird direkt zu Beginn des Werkes präsentiert, dass die Nachrichtenredaktion, für die Karen arbeitet, eine klare Trennung von Sensationalismus und Berichterstattung hinter sich gelassen hat und in der Folge die Grenze zwischen Boulevard-Beiträgen und einer journalistischen Reportage deutlich überquert hat. Um diesen Eindruck beim Publikum innerhalb des Werkes abzuschwächen, wird zudem ein Live-Interview mit dem Psychologen Dr. George Waggner im Studio geführt, der Einblicke in die Psychologie eines Serientäters geben soll, was wie serviceorientierter Journalismus wirkt. Die Integrität dieser Quelle wird im Verlauf des Werkes allerdings noch in Frage gestellt. Nachdem Karen Eddie begegnet ist und dieser sie mit Aufzeichnungen schrecklicher Taten konfrontiert hat, hat sie sich vollkommen verändert. Als sie in einer Livesendung aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse plötzlich nicht mehr reden kann, bezeichnet ihr Chefredakteur sie als unprofessionell. Auch hier bringt der Film sehr deutliche Kritik an (vgl. Glasl 2014).

The Howling thematisiert zudem das TV-Publikum innerhalb der Erzählwelt. Durch die Vielzahl von fragwürdigen journalistischen Beiträgen vertraut das Publikum den Medien nicht mehr, man kann auch sagen, dass die Menschen vor den TV-Geräten nicht an die Authentizität des Gezeigten glauben. Hier offenbart Joe Dante die wahre Medienkritik, die darin begründet ist, dass einige Redaktionen den Informationsauftrag des Journalismus abgelegt haben und immer mehr auf Sensation, Skandal und Quote hin konzipiert sind. „Das Vertrauen in die Medien ist schon lange nicht mehr da […]“, wie Patrick Thülig in seiner Besprechung des Werkes feststellt (Thülig 2014: 216). Das macht die Kritik direkt in einen aktuellen Diskurs übertragbar, nämlich den über „Fake News“ und die gesteuerte Verbreitung falscher und in einen fehlerhaften Kontext gebrachten Informationen durch journalistische oder scheinbar journalistische Quellen.

Und an diesem Punkt findet sich der Anschluss zur heutigen Zeit. Einzelne Medienhäuser haben mehr Einfluss als andere und einzelne politisch relevante Personen verwechseln Twitter-Beiträge mit Politik, so wie erst vorgestern der britische Premierminister Johnson, als er einen Brief an den französischen Präsidenten Macron bei Twitter veröffentlichte. Die Springer Mediengruppe, bekannt als Herausgeber der Bild und der Welt, hat mittlerweile einen eigenen Fernsehsender, der in seiner Programmgestaltung an den Sender erinnert, der in The Howling beispielhaft inszeniert wird.

Dieser Tage wird fast ausschließlich über eine Bedrohung berichtet, die nicht sichtbar ist, bis diese zuschlägt. Die Rede ist vom Corona-Virus, das die Menschheit seit nun etwa zwei Jahren immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. Einige Menschen scheinen allerdings den Glauben an die Sachlichkeit der journalistischen Medien verloren zu haben und sich ihre Informationen über andere Kanäle zu suchen. An diesem Punkt ist die Verbreitung „alternativer Fakten“ und Falschmeldungen äußerst risikobehaftet, erscheint jedoch äußerst reichweitenstark, betrachtet man die Demonstrationen der Impfgegener*innen in den vergangenen Monaten. Diesen Diskurs in Gänze zu betrachten ist heute nicht möglich. In den letzten Sequenzen des Werkes werden allerdings einige interessante Publikumsreaktionen gezeigt, die an Straßenbefragungen in diesen Zeiten erinnern. Besonders auffällig ist dabei eine Unterhaltung von Gästen einer Bar, die über das Gezeigte im Fernsehen diskutieren und es direkt als unmöglich beschreiben.

Abgesehen von der Kritik an der journalistischen Vermittlung durch Medien, bietet The Howling viele schöne Aufnahmen, eine große Menge an Werwölfen und einen intelligenten Plot. Vieles ist hier anders, als es auf den ersten Blick scheint. Außerdem versteckt Joe Dante im Film einige Referenzen und erschafft dadurch ein sehr anspielungsreiches Werk, das in seiner Form jedoch sehr selbstständig ist. Viel Glück nun bei der nachfolgenden Verlosung und vielen Dank für Ihr Interesse.

Quellen

Flintrop, Michael; Jung, Stefan (Hg.) (2014): Joe Dante. Spielplatz der Anarchie. Berlin: Bertz und Fischer (Cinestrange, 1).

Glasl, Sofia (2014): Television Dream Screens: Reality Takes a Holiday. In: Michael Flintrop und Stefan Jung (Hg.): Joe Dante. Spielplatz der Anarchie. Berlin: Bertz und Fischer (Cinestrange, 1), S. 175–185.

Thülig, Patrick (2014): The Howling 1981. In: Michael Flintrop und Stefan Jung (Hg.): Joe Dante. Spielplatz der Anarchie. Berlin: Bertz und Fischer (Cinestrange, 1), S. 213–216.

Infokasten

„The Howling – Das Tier“ (OT: „The Howling”)

Regie: Joe Dante

Drehbuch: John Sayles, Terence H. Winkless

Romanvorlage: Gary Brandner

Produktion: AVCO Embassy Pictures, International Film Investors, Wescom Productions

Verleih: StudioCanal

Laufzeit: 91 Minuten (uncut)

USA | 1981

Erstveröffentlichung: 10. April 1981 (USA)

Wiederveröffentlichung: 28. Oktober 2021 als DVD, Blu-ray-Disc und 4K-Blu-ray.

Wiederaufführung im Kino: 27. November 2021, 23 Uhr in der Reihe Mondo Grindhouse im Studio Filmtheater, Kiel.

Bildrechte: Die Bilder dieses Artikels sind Ausschnitte aus dem besprochenen Medieninhalt. Deren Rechteinhaber können Sie dieser Infobox entnehmen.

Letzte Änderung amMontag, 03 Januar 2022 09:26
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

Unter anderem auch das . . .

„Das Grauen (seltener: der Graus) ist ein Substantiv der gehobenen Umgangssprache für ein gesteigertes Gefühl der Angst oder des Entsetzens, das meist mit der Wahrnehmung des Unheimlichen oder Übernatürlichen verknüpft ist. Es rührt sprachgeschichtlich vom mhd. grûwen, „Schauder“ her, welcher Begriff auch als Synonym verwendet wird.“

– Wikipedia

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