log in

Film

Fantasy Filmfest Tag 8: Ökoterrorismus, Schuld und Sühne, das Finale

Empfehlung Werbematerial (Collage) mellowdramatix (Collage), Fantasy Filmfest, siehe Infozeilen Werbematerial (Collage)

Heute im Programm: Ted K, Knocking, Are you Lonesome Tonight?, Brain Freeze und in der Closing Night Silent Night.

Veranstaltungsbericht und Kurzkritiken

Der letzte Tag des Fantasy Filmfestes in Stuttgart ist erreicht. Drei Filme im Wettbewerb um den Publikumspreis werden heute gezeigt (Ted K, Knocking und Are you Lonesome Tonight?), bevor mit Brain Freeze die obligatorische Zombie-Komödie läuft. Den Schlusspunkt des Festivals setzt Silent Night, das Langfilm-Debüt der Regisseurin Camille Griffin.

Das 35. Fantasy Filmfest war insgesamt ein gutes Festival mit einem abwechslungsreichen Programm. Es ist schön zu sehen, dass dieses Festival auch nach 35 Jahren noch immer interessante Genrefilme und unterschätzte Perlen für sein Publikum zusammenstellt und Jahr für Jahr ein tolles Programm liefert. In Stuttgart hat das Publikum im Fresh-Blood-Award Beyond the Infinite two Minutes gewählt und beim Kurzfilmpreis Heart of Gold.

Ted K

Ted K 2Der Thriller um den Ökoterroristen Theodore „Unabomber“ Kaczynski (Sharlto Copley) erzählt die Geschichte hinter der Serie der Bombenattentate nach der realen Person. Von dem insgesamt 25000 Seiten umfassenden Nachlass des psychopathischen Serienattentäters wurde diese Verfilmung beeinflusst.

Das Problem bei Filmen wie Ted K besteht darin, dass der Protagonist als zentrale Figur des Werkes vollkommen fraglos ein psychisch gestörter Soziopath ist. Dasselbe Problem hatten auf dem Fantasy Filmfest zuvor bereits Titel wie My Friend Dahmer oder Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile, die jeweils die Serienmörder Jeff Dahmer und Ted Bundy in den Mittelpunkt stellen. Diese Filme sind alle sehenswert, aber schwierig. Ungeachtet dieses Aspektes ist auch Ted K ein sehenswerter Film mit einem überragenden Sharlto Copley in der Hauptrolle.

Infozeile: „Ted K“, R: Tony Stone, USA 2021, derzeit kein dt. Verleih

Knocking

KnockingMolly (Cecilia Milocco) kehrt nach einer langen Traumatherapie zurück in ein normales Leben. Neue Wohnung, neue Chance ist die Devise ihres behandelnden Arztes. Molly ist soweit wiederhergestellt, dass sie in einen normalen Alltag außerhalb der Klinik zurückkehren kann. Bereits beim Auspacken ihrer Sachen wird Molly jedoch mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, genauer gesagt mit Erinnerungen an ihre Lebenspartnerin Judith (Charlotta Åkerblom), die mutmaßlich verstorben ist. Doch abgesehen von flashbackartigen Erinnerungsblitzen wird Molly von noch etwas verfolgt: Klopfgeräuschen.

Dieser schwedische Film ist ein exzellenter psychologischer Horrorfilm. Knocking ist der Debütfilm von Regisseurin Frida Kempff und feiert auf dem Fantasy Filmfest 2021 seine Deutschlandpremiere. Dabei tritt Knocking direkt im Wettbewerb um den Publikumspreis Fresh Blood an. Knocking ist ein ruhiges Werk, welches in seiner Inszenierung mit Wirklichkeit und Wahnsinn spielt und dadurch einige Überraschungen bereithält.

Infozeile: „Knocking“, R: Frida Kempff, Schweden 2021, derzeit kein dt. Verleih

Are You Lonesome Tonight?

Are You Lonesome 2Was der Trailer für diesen Film andeutet, bekommt man in Are you Lonesome Tonight? nicht. Das ist einer der Gründe dafür, warum dieser düstere Film positiv überrascht. Über den Inhalt des Werkes sollte man möglichst wenig wissen, weshalb darüber an dieser Stelle nicht viel preisgegeben werden soll. Essenziell ist allerdings, dass der Film das komplexe Thema Schuld und Sühne auf ambivalente Weise thematisiert.

Dieser Beitrag im „Fresh Blood“-Wettbewerb ist emotionales und kathartisches Kino. Are you Lonesome Tonight? dreht bekannte dramaturgische Strukturen auf links und entfaltet die Geschichte aus mehreren Perspektiven in einer achronischen Formung. Anspruchsvolles asiatisches Kino, das im Nebenher mit dem Klischee aufräumt, dass sämtliche Asiaten Kampfsport beherrschen.

Infozeile: „Are you Lonesome Tonight?”, R: Shipei Wen, China 2021, Rapid Eye Movies

Brain Freeze

Brain 2Die Reichen auf einer Insel, die Quebec vorgelagert ist, wollen unbedingt auch im Winter Golf spielen können. Aus diesem Grund wird auf dem Golfplatz eine neue Chemikalie verteilt, die den Schnee vernichtet und das Gras so grün macht, wie es sich die reiche Elite auf der Insel vorstellt. Golf sei schließlich weder Sport noch Wettstreit, sondern ausschließlich Status. Die Chemikalie gerät ins Trinkwasser und in der Folge verwandeln sich die Einwohner in Zombies.

Auf jedem Fantasy Filmfest läuft mindestens eine Zombie-Komödie. In diesem Jahr gibt es tatsächlich nur einen richtigen Zombiefilm im Programm und dieser ist Brain Freeze aus Kanada. Per Videobotschaft teilt der Regisseur vor dem Film mit, dass es sich nicht einfach nur um eine Komödie handle, sondern auch um einen Film mit einer gesellschaftskritischen Botschaft. Das stimmt zwar, aber Brain Freeze bleibt eigentlich in sämtlichen Belangen durchschnittlich. Auch die angekündigte Kritik an gesellschaftlichen Missständen bleibt äußerst plump. Dafür hat das Werk klaffende Logiklücken anzubieten, die nicht mit der inneren Logik der Erzählwelt zusammenpassen.

Die Hauptfiguren sind allesamt männlich, jeder der beiden hat eine weibliche Begleitfigur, die für die Motivation der Figuren relevant ist. In dieser Hinsicht ist Brain Freeze absolut nicht innovativ. Das einzig Innovative an dem Film ist ohnehin die Art der Zombies, da diese Transformation die Menschen mit Pflanzen verschmelzen lässt. Ansonsten bewegt sich das Gezeigte absolut im Erwartbaren. Brain Freeze ist ein Partyfilm für eine einmalige Sichtung, mehr aber auch nicht.

Infozeile: „Brain Freeze”, R: Julien Knafo, Kanada 2021, Lighthouse Entertainment

Silent Night

SilentSilent Night beginnt als eine Komödie, in der eine Familie am Vorweihnachtsabend zusammenkommt. Eine schöne Gelegenheit, um das Leben zu feiern und Konflikte auszuräumen. Doch irgendetwas stimmt nicht. Während Gastgeberin Nell (Keira Knightley) gemeinsam mit ihrem Sohn Art (Roman Griffin Davis) das Essen vorbereitet, wirft Ehemann und Vater Simon (Matthew Goode) die Hühner aus dem Gehege. Nach und nach reisen weitere Gäste an und alle begegnen sich herzlich, bis dann am Esstisch die sprichwörtliche Bombe platzt: Am nächsten Morgen wird die Welt untergehen.

Mit einem außergewöhnlich starken Cast (unter anderem Annabelle Wallis, Lily-Rose Depp, Lucy Punch) inszeniert Regisseurin Camille Griffin einen außergewöhnlichen Film. Die Geschichte könnte eine alljährliche sein, doch mit dem Ende der Welt vor Augen, sehen sich die Figuren auch mit dem Ende ihres eigenen Lebens und dem ihrer Geliebten konfrontiert. Die Figurendynamik ist großartig gelungen und entfaltet sich in stimmungsvollen Dialogsequenzen. Silent Night beginnt als Komödie und stellt für das Ende die größtmögliche Tragödie in Aussicht. Selten hat ein Film den Weltuntergang so emotional einfühlsam inszeniert, wie es in Silent Night geschieht.

Die Regisseurin macht in ihrer Grußbotschaft vor dem Film deutlich, dass es sich bei diesem Werk nicht um eine subversive Form von Anti-Impfung handle. Tatsächlich macht sie sich sogar dafür stark, dass das Publikum sich impfen lässt, so wie sie und auch ihre drei Söhne, die alle in dem Film mitspielen.

Infozeile: „Silent Night“, R: Camille Griffin, Großbritannien 2021, Endeavor Content

Letzte Änderung amMontag, 25 Oktober 2021 06:24
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

Unter anderem auch das . . .

„Unbestreitbar führt das Internet auch zu positiven Veränderungen. Das Negative besteht meiner Meinung nach darin, dass das Internet zu Oberflächlichkeit verleitet, zu spontanen Reaktionen, hinter denen kein langes Nachdenken steckt: Ich habe etwas gelesen, und sofort twittere ich dagegen oder darüber, und dann womöglich auch noch in falscher Grammatik.“

 

Helmut Schmidt im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo (2012) im Zeit Magazin Nr. 17 vom 19.04.2012, S. 57

Cookie-Einstellungen