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Film

„The Batman“ – Fledermaus mit Gefühlen

Szenenbild Warner Bros. Szenenbild

Die Geister werden sich daran scheiden, ob der Batman-Film von Matt Reeves gefällt oder nicht. Melancholisch und düster ist er in jedem Fall – und verdammt lang!

Rezension

Wie James Bond und mehr noch als der berühmte Geheimagent hat Batman nun schon viele Gesichter und Inszenierungen erlebt. Nicht nur die Comicverfilmungen von Regisseuren wie Tim Burton, Christopher Nolan und nun Matt Reeves, vor allem auch zahlreiche Comickünstler*innen, TV-Serien und Videospiele haben den dunklen Rächer immer wieder neu interpretiert. Die jüngste Inkarnation der Fledermaus, The Batman, ist keine erneute Geschichte über die Ursprünge des Superhelden. Matt Reeves setzt die Entstehungsgeschichte als bekannt voraus, belässt es bei bedeutungsvollen Anspielungen und zeigt uns stattdessen einen Batman, der sich längst einen Namen als Verbrechensbekämpfer gemacht hat, aber der dennoch, obwohl alles andere als unfähig, immer wieder strauchelt und seinen Weg noch finden muss. Während Nolans Batman-Filme mehr oder weniger One-Man-Shows waren, lässt der neue Batman Raum für Nebenfiguren. Selina Kyle alias Catwoman (Zoë Kravitz) als weibliche Hauptfigur und Lt. James Gordon (Jeffrey Wright) als Helfer Batmans tragen deutlich zur Handlung bei.

The Batman 3

Batman ist schon immer ein ambivalente Charakter gewesen, der auf einem schmalen Grat zwischen Vergeltung und Gerechtigkeit wandert. Aber Matt Reeves‘ Interpretation des Comichelden, verkörpert von Robert Pattinson, wirkt zudem fehlbar, verletzlich und melancholisch, bisweilen mit dem blassen Gesicht, den dunklen Haaren und den mit schwarzer Schminke verschmierten Augen wie ein Emo. Getragen wird diese Verletzlichkeit vor allem durch Pattersons Schauspiel, insbesondere in Momenten, in denen Batman die Maske ablegt und wieder Bruce Wayne wird, der sich erneut mit seiner Vergangenheit konfrontiert sieht, als im Kontext einer Mordserie auch die dunklen Geheimnisse der Wayne-Familie ans Tageslicht gezerrt werden.

Dieser neue Batman, um das klarzumachen, ist keine Heulsuse. Ihm fehlt allerdings (noch?) die Souveränität, die man von diesem Helden gewohnt ist. Das macht ihn als Mensch greifbarer, was wiederum ein Identifikationspotenzial verstärken kann, das ohnehin in dieser Heldenfigur angelegt ist: Batman hat nie über Superkräfte verfügt, dafür aber über Köpfchen, Muskelkraft und eine Menge nützlicher Gadgets. In dieser Hinsicht war er schon immer menschlicher und nahbarer als andere Superhelden.

The Batman 2

Selbstzweiflerischer Batman im Neo-Noir-Setting

Die Neuinterpretation Batmans mag mit dem sich wandelnden Männerbild zusammenhängen, passt aber auch gut in das Neo-Noir-Setting, das Matt Reeves für The Batman kreiert hat. Hierin nimmt Batman die Rolle des seelisch angeschlagenen Ermittlers ein, der auf eigene Faust oder Seite an Seite mit Lt. James Gordon oder Catwoman recherchiert. Einen Großteil der Handlung macht dementsprechend detektivische Arbeit aus, die tief ins halbseidene Milieu führt und Verstrickungen zwischen Politik und organisiertem Verbrechen offenbart, aufgelockert durch schnelle, harte Schlägereien ohne übertriebene Stunteinlagen. Den Anstoß zu all dem geben Mordermittlungen. Inszeniert als Serienkiller, dessen Vorgehen und Motivation in Teilen an Jigsaw aus der SAW-Filmreihe erinnert, tötet der Riddler prominente Persönlichkeiten aus Gotham City und traktiert die Polizei mit Rätseln, die auf einen größeren, verstörenden Zusammenhang hinweisen.

Gotham City wird fast nur bei Nacht gezeigt, eine düstere Szenerie, und bricht doch mal der Tag an, ist dieser blendend grell und fremdartig. Das korrespondiert direkt mit dem Protagonisten, der selbst von sich sagt, eine Kreatur der Nacht geworden zu sein. Kein Wunder, dass Bruce Wayne in einer Szene ins grelle Tageslicht blinzelt und sich eine Sonnenbrille aufsetzt. Das ist keine abgegriffene coole Geste, sondern ein Zeichen dafür, wie fremd ihm die helle Tageszeit geworden ist.

Eine weitere unverkennbare Film-Noir-Anleihe ist der Erzähler aus dem Off, hier: Batman als selbstzweiflerischer Kommentator seiner Mission, Gotham City zum Positiven zu verändern. Das ist stimmungsvoll, wird zum Glück dennoch nur wenig eingesetzt – für den Film gilt mehr noch als für Romane die Regel Show, don’t tell, lange Off-Texte können da schnell aufgesetzt wirken.

The Batman 4

Der längste und langsamste Batman-Film aller Zeiten

Nicht unerwähnt soll ein Thema bleiben, dessen sich The Batman annimmt und das eng im Zusammenhang mit der Neuinszenierung Batmans und dem Neo-Noir-Setting steht: das Problem der Selbstjustiz, das Batman als selbsternannter dunkler Rächer auch verkörpert. Ich werde dem Film hier nicht vorgreifen, es ist nur spannend zu sehen (und eine eigene Betrachtung wert), wie der Film unsere Zeit spiegelt, in der durch missbräuchlichen Einsatz sozialer Medien aufgewiegelte Massen meinen, das Recht selbst in die Hand nehmen zu müssen, und daraufhin das Kapitol in Washington, D.C. erstürmen (1). In einer solchen Zeit kann auch ein Held wie Batman nicht unkommentiert bleiben.

Bisweilen wirkt The Batman ein wenig langatmig, aber das ist vermutlich Geschmacksache. Sicher ist: Mit knapp drei Stunden ist dieser Film definitiv lang, nicht nur, weil viel erzählt wird, sondern auch sehr langsam. Gemessen an zeitgenössischen Sehgewohnheiten ist es zudem eher ungewöhnlich zu erleben, wie mit dem Ende des Spannungsbogens, wenn in Unterhaltungsfilmen meist alle wichtigen Handlungsfäden abgeschlossen sind, ein komplett neuer Spannungsbogen aufgebaut wird (zwar nicht unvorbereitet, aber unerwartet ausführlich).

The Batman 1

Fazit: Düster, melancholisch, verletzlich

An Matt Reeves The Batman werden sich die Geister scheiden. Den einen wird er womöglich zu lang sein, den anderen zu ungewöhnlich. Batman wird als unperfekter und verletzlicher Held inszeniert, der zwar hart im Nehmen ist und nicht auf den Kopf gefallen, aber dem nicht alles gelingt und der seinen Weg noch finden muss. Für die Darstellung eines solchen Batmans ist Robert Pattinson eine hervorragende Wahl. Der Film wird mit dieser Neuinterpretation der Fledermaus nicht nur der Comicvorlage gerecht, er ist auch stilistisch als düsterer Neo-Noir-Film ansprechend und inhaltlich überzeugend, auch wenn er unter der einen oder anderen Länge leidet.

 

(1) Ähnliches, wenn auch in deutlich kleinerem Ausmaß, ist hierzulande in einem „Ansturm“ auf den Reichstag passiert (Ansturm in Anführungsstrichen, denn letztlich war die Anzahl der „Stürmenden“ nicht sehr groß; drei Polizisten haben sie aufgehalten).

 

Infokasten

„The Batman“

Regie: Matt Reeves

Drehbuch: Matt Reeves, Peter Craig

Comicvorlage: Bill Finger, Bob Kane

Laufzeit: 175 Minuten

Produzent: Warner Bros., 6th & Idaho Productions, DC Comics, DC Entertainment

Verleih: Warner Bros. Pictures Germany

USA | 2022

Veröffentlichung: Kinostart am 03. März 2022.

Bildrechte: Die Bilder dieses Artikels sind Ausschnitte aus dem besprochenen Medieninhalt. Deren Rechteinhaber können Sie dieser Infobox entnehmen.

Letzte Änderung amFreitag, 04 März 2022 18:31
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

„Der Begriff Horrorliteratur bezeichnet eine Literaturgattung, deren Gegenstand die Schilderung von angsteinflößenden und oft übernatürlichen Ereignissen ist. Dabei rücken überwiegend die grausigen Motive der Handlung (Monster, Untote, Dämonen, Entstellungen, Qualen etc.) in den Vordergrund bzw. Mittelpunkt.“

– Wikipedia

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