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„Cursed: Die Auserwählte“ – Die Artussage als All-Age-Fantasy-Serie

Szenenausschnitt Netflix Szenenausschnitt

In dieser Version der Artussage spielt Artus eine Nebenrolle. Denn das legendäre Schwert Excalibur führt diesmal eine Heldin wider Willen, die für ihr Volk kämpft.

Rezension

Als die roten Mönche in ihr Heimatdorf einfallen, um sämtliche Frauen und Männer zu töten, bleibt der jungen Nimue (Katherine Langford) nur die Flucht. Denn wie alle im Dorf ist sie eine Fey – und dieses Volk wollen die Mönche unter der Führung von Pater Carden (Peter Mullan) mit Stumpf und Stiel ausrotten. Mit auf die Flucht nimmt Nimue ein Zauberschwert, das sie, so der Wunsch ihrer Mutter, zu dem berüchtigten Zauberer Merlin (Gustaf Skarsgård) bringen muss, wenn die Fey eine Überlebenschance haben sollen.

cursed 5Cursed: Die Auserwählte ist eine von Netflix produzierte Fantasy-Serie und basiert auf einem in Deutschland zeitgleich zur Serie publizierten Roman, der von Thomas Wheeler geschrieben und von Comiczeichner Frank Miller, bekannt für Sin City oder 300, illustriert wurde. Die beiden sind auch für die Produktion der Serie verantwortlich. Inhaltlich ist Cursed: Die Auserwählte eine lose Adaption der Artussage, in deren Fokus eine Frauenfigur mit Identifikationspotenzial für junge Zuschauerinnen steht. Dass hierbei Nimue als eine wichtige Frauengestalt der walisischen und bretonischen Sagenwelt gewählt wurde, birgt das Potenzial für eine interessante Variation eines mittlerweile leicht abgegriffenen Sagenstoffs; denn auch wenn Nimue in den Sagen vielgestaltig und unter verschiedensten Namen auftritt, so ist sie doch auch als die Hüterin des Sees bekannt, von der Artus das legendäre Schwert Excalibur erhält. Das ist vielversprechend, bedenkt man, dass die erste Staffel von Cursed: Die Auserwählte wie eine Vorgeschichte zur Artussage erscheint, eine Geschichte, in der Artus nicht unerwähnt bleibt – beziehungsweise Arthur (Devon Terrell), der aber als Lebenskünstler, Söldner und Kleinganove noch seinen Weg finden muss.

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Neben einer Abenteuerreise ins Unbekannte, einer Liebesgeschichte und dem Kampf für die Freiheit eines mythischen Volkes bietet die Serie zudem eine Prise Politik und Intrige, die den Überlebenskampf der Fey weiter verkompliziert. Interessant ist, wie hierbei zwei Welten kollidieren, die ihre historische Entsprechung in zwei einander ablösenden Glaubenssystemen finden. Auf der einen Seite wäre da die Welt der Fey, inspiriert von der keltischen Mythologie, und auf der anderen die der roten Mönche, die dem christlichen Mönchskult des Mittelalters nachempfunden sind, allerdings stereotypisierend – denn die Mönche scheint nichts anderes zu bewegen als die Vernichtung alles Magischen. Durch diesen Fanatismus, der die Welt vereindeutigen will, ergeben die Mönche dennoch wirkungsvolle Antagonisten, insbesondere in Gestalt von Pater Carden, der vor Folter und Verbrennung nicht zurückschreckt, selbst wenn es Kinder betrifft.

cursed 3Somit dreht sich die Serie um die Durchsetzung des Existenzrechts Phantastischer Wesen, die durch die Vormachtstellung des Menschen bedroht werden. Das ist eine erzählerische Konstellation, die als ins Phantastische verfremdete Existenzkritik gedeutet werden kann, da sie fundamentale Probleme menschlichen Zusammenlebens anspricht, Stichworte: Ausbeutung, Unterdrückung, Rassismus, Kolonialismus. Damit wird in Cursed: Die Auserwählte ein Thema aufgegriffen, das sich in den letzten Jahren häufiger in Phantastischen Geschichten findet, darunter im The-Witcher-Universum, in der Amazon-Prime-Serie Carneval Row, in den Netflix-Produktionen Bright, Hilda, Der Brief für den König und in Love, Death and Robots sowie in dem Spin-off zu Harry Potter, dem Fantasy-Film Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen – diese Liste ließe sich noch fortsetzen.

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Ein interessantes Detail der Serie ist die Verwendung von Erzählelementen, die eher aus dem Horror-Genre bekannt sind, aber abgeschwächt inszeniert werden, sodass sie leichter zu verdauen sind, unter anderem Folter und Bodyhorror (Nimue muss sich einen gesunden Zahn mit einer Zange ziehen lassen). Punktuell wird Gewalt explizit dargestellt, hält sich aber im Rahmen. Stellenweise spielt die Serie durchaus mit der Schrecklichkeit des gewählten Szenarios und durchbricht den poppigen Look, der ab Mitte der Serie ohnehin düsterer wird.

cursed 1Eine besondere Erwähnung verdient die ambivalente Zaubererfigur Merlin, großartig darstellt von Gustaf Skarsgård, der schon in Vikings mit Darstellung des leicht verrückten Floki beeindrucken konnte. Neben Nimue ist Merlin vermutlich die wichtigste Person im Spiel der Mächte, zerrissen zwischen Größenwahn und Identitätsverlust und daher am Hofe König Uthers (Sebastian Armesto) dem Suff verfallen. Seinen scharfen Verstand und seinen Sinn für Täuschungen hat er deswegen allerdings nicht eingebüßt. Die Frage ist nur: Wird er Nimue helfen, wenn sie ihm das Zauberschwert bringt?

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Die Netflix-Serie Cursed: Die Auserwählte ist düstere All-Age-Fantasy, die in der Form einer Coming-of-Age-Geschichte eine spannende Adaption der Artussage liefert und dabei, wie es dem Zeitgeist entspricht, anstelle des legendären Königs die starke Frauenfigur Nimue ins Zentrum rückt. Gerade diese neue Perspektive sowie die in ihrem Fanatismus grässlichen Antagonisten machen den x-ten Aufguss der Volkssage zu einem unterhaltsamen Serienerlebnis, das sich unter den vielen Fantasy-Serien am Markt behaupten kann.

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Trailer zu Cursed: Die Auserwählte

 

Infokasten

„Cursed: Die Auserwählte“, Staffel 1 (OT: Cursed)

Schöpfer: Frank Miller, Tom Wheeler

Regie: Jon East, Daniel Nettheim, Zetna Fuentes, Sarah O'Gorman

Drehbuch: Frank Miller, Tom Wheeler u.a.

Laufzeit: ca. 60 Minuten / 1 Staffel à 10 Folgen

Produzent: Netflix

Verleih: Netflix

Großbritannien, Australien | 2020

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Letzte Änderung amSonntag, 04 April 2021 17:13
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

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„Unbestreitbar führt das Internet auch zu positiven Veränderungen. Das Negative besteht meiner Meinung nach darin, dass das Internet zu Oberflächlichkeit verleitet, zu spontanen Reaktionen, hinter denen kein langes Nachdenken steckt: Ich habe etwas gelesen, und sofort twittere ich dagegen oder darüber, und dann womöglich auch noch in falscher Grammatik.“

 

– Helmut Schmidt im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo (2012) im Zeit Magazin Nr. 17 vom 19.04.2012, S. 57

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