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Film

„Die Schöne und das Biest” – Fairytale gone bad

Filmplakat (Ausschnitt) Walt Disney Productions Filmplakat (Ausschnitt)

Die Realverfilmung von Disneys Animationsfilm Die Schöne und das Biest erscheint ambitioniert, gelingt jedoch nicht.

Bill Condon erhielt von Disney das Privileg, einen der erfolgreichsten Animationsfilme des Studios mit Schauspielern neu zu realisieren. Der Cast verspricht einen hochkarätig besetzten Film. Mit Emma Watson als Belle und Dan Stevens als das Biest sind die Hauptakteure populär besetzt. Als Antagonist Gaston darf Luke Evans seine Sanges- und Tanzkünste präsentieren, während Josh Gad dessen Sidekick LeFou verkörpert. Das Ensemble bleibt jedoch über weite Strecken hinter den Erwartungen zurück. Ausgenommen sind hierbei der brillant spielende Kevin Kline als Maurice, dem Vater von Belle, und das liebenswerte Duo Lumiére (Ewan McGregor) und Cogsworth (Ian McKellen). Die letzten beiden Genannten leihen jedoch primär animierten Figuren ihre Stimme, was bereits eines der Probleme des Films anreißt, hierzu später mehr.

Emma Watson als BelleDer Handlungsrahmen entspricht dem Märchen, das beiden Disney-Verfilmungen als Vorlage dient. Belle verlässt ihre Heimat und stößt in einem vergessenen Schloss auf einen verwunschenen Regenten. Durch die wahre Liebe kann das Biest von seinem Fluch befreit werden und bei einem Disney-Film muss man nicht erläutern, dass Die Schöne und das Biest in einem schmalzigen und kitschigen Happy End mündet. Dennoch lässt der Stoff Raum für Konflikte, Schreckensmotive und Charakterzeichnungen sowie viele Musicaleinlagen, die das Werk dennoch sehenswert machen könnten. Für einen solchen Film erscheint Bill Condon der ideale Regisseur zu sein, denn blickt man auf dessen bisherige Werke, sind dabei unter anderem die letzten beiden Filme der Twilight-Saga, Dreamgirls, aber auch Candyman 2. Das Mischungsverhältnis aus Romanze, Musical und Gruselelementen scheint bewusst komödiantisch ausgerichtet (es zielt alles auf ein gutes Ende ab) wodurch der Film in die Bedeutungslosigkeit abdriftet, mangels fehlendem Konfliktpotential und zu viel Klamauk.

Dan Stevens als das Biest

Insgesamt bleibt Die Schöne und das Biest ein Unterhaltungsfilm, der nicht im Gedächtnis verweilt. Die Geschichte ist bekannt, aus diesem Grund werden weitere Elemente hinzugefügt, jedoch nicht mit Fingerspitzengefühl in die Narration eingewoben, sondern wie mit Superkleber zwischen bestehende Handlungsfragmente gezwungen. Beispielsweise besitzt das Biest ein Buch, mit dem es durch Raum und Zeit reisen kann. Das nutzt es geschickt, um seiner aufkeimenden Flamme Belle, die Möglichkeit zu geben, an den Ort und den Moment zu gelangen, den Sie am sehnlichsten erleben möchte. Belle wünscht sich in die Todesnacht ihrer Mutter in Paris, die dann möglichst pathetisch inszeniert wird: WARNUNG SPOILER denn die Mutter wurde vom Vater zum Sterben zurückgelassen, weil diese an der Pest erkrankt ist. Zu allem Kitsch kommt dann noch eine Kinderrassel in Form einer roten Rose, die einen sinngebenden motivischen Rückschluss zu der Rose zulässt, die mit dem Schicksal des Biests und dessen Hofstaat verbunden ist. Belle kann die Rassel mitnehmen und später ihrem Vater zeigen, um zu verdeutlichen, dass das Biest kein schlechten, sondern einen guten Charakter besitzt. SPOILER ENDE.

Luke Evans als GastonNeben den bekannten Liedern aus dem Animationsfilm, werden neue eingefügt, die unter anderem den miesen Charakter des Biests begründen sollen, sodass hier eine deutliche Relativierung der Persönlichkeit stattfindet – eine unnötig wirkende Charaktererweiterung, da dem monströsen Regenten eine flache und unglaubwürdige Psychologisierung untergeschoben wird. Zudem gibt es einige Sequenzen aus der Vorlage, die nahezu identisch übernommen wurden. Darüber hinaus verflachen weite Teile des Films in klamaukigen Annäherungsversuchen des Protagonistenpärchens. Da entsteht zwar eine positive Grundstimmung, die aber nicht nachhaltig wirkt. Dazu ist vieles zu plump und eindimensional, auch hier bleibt Die Schöne und das Biest hinter den Erwartungen.

Nicht unerwähnt bleiben sollte die Vielzahl von technischen und logischen Fehlern in Inszenierung und Narration. Kommen wir zunächst zu einigen beispielhaften technischen Fehlern, die auf dem Niveau einer Topproduktion nicht entstehen sollten:

  • Das Biest liegt auf dem Bett und die Hörner gehen durch das Kissen, ein CGI-Fehler.
  • In der eröffnenden Musicalnummer sind einige Figuren asynchron zur eingespielten Musik (in der Originalfassung).
  • In manchen Sequenzen gehen CGI und Bühne deutlich sichtbar ineinander über.

Auf narrativer Ebene gibt es kuriose Fehler. Das beruht primär auf Zeit-/Ort-Unklarheiten. Mal ist das verwunschene Schloss fünf Tage von der Stadt entfernt, mal einige Stunden, mal einen Tag und, um in Zeiten der größten Not eine Parallelmontage aufrechtzuerhalten, ist das Schloss nur wenige Sekunden entfernt von der Stadt. Der Film scheint bereits voller Anschlussfehler konzipiert worden zu sein. Ein weiteres Beispiel: Das Biest schlägt ein Buch auf und bläst dann den Staub von den aufgeblätterten Seiten.

Die 3D-Fassung ist eine konvertierte 2D-Aufnahme. Die animierten Figuren sind aufwändig modelliert und haben dadurch den Nachteil, gegenüber ihren Vorlagen von 1991, dass die Animation nicht so emotional und liebenswert erscheint. An dieser Stelle setzt der Film auf Spektakel, es wird geklotzt und nicht mit dem Blick für Detailverliebtheit gearbeitet, der Animationsfilme oftmals so charmant gestaltet.

Was soll man zu einem Film sagen, der auf den ersten Blick gut unterhält, aber in der Summe einfach zu lang und auch nicht unterhaltsam genug ist? Da schwingt auch etwas Enttäuschung mit, doch die angeführten Kritikpunkte sind sachlich haltbar. Disney hat sich mit dieser Realfilmadaption nicht unbedingt einen Gefallen getan, aber einen guten finanziellen Schnitt gemacht, soviel ist sicher. Die Schöne und das Biest ist anno 2017 nicht so gelungen, wie erhofft. Aus einem Märchen mit einer ausgeprägten Ambivalenz von Gut und Böse ist ein kitschiger Film geworden, der mal gut unterhält, aber kein sehenswertes Werk ist.

Trailer zu Die Schöne und das Biest

Infokasten

„Die Schöne und das Biest“
Originaltitel: „Beauty and the Beast“
USA 2017 / 129 Minuten Laufzeit
Walt Disney Pictures und Mandeville Films
Kinostart: 16.03.2017

Letzte Änderung amFreitag, 18 August 2017 21:28
syno nyhm

„Syno ist irgendwann hier aufgetaucht und seit dem nicht mehr weggegangen.“

– Edward

syno hat das Bloggen bemerkt. Da er das Jonglieren mit Medien liebt, ist das für ihn genau die richtige Freizeitaktivität. Durch einen Bachelor in Multimedia Production bringt er so manches an Vorwissen mit. Vor Kurzem beendete er erfolgreich das Masterstudium der Medienwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Schwerpunkte sieht er im Bereich Horror, Film, Videospiel und Miniaturen, wildert jedoch ohne große Scheu auch in anderen Rubriken. Sein persönlicher Liebling ist die Kategorie Wissen, für dessen Aufzucht er zuständig ist.

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„Unbestreitbar führt das Internet auch zu positiven Veränderungen. Das Negative besteht meiner Meinung nach darin, dass das Internet zu Oberflächlichkeit verleitet, zu spontanen Reaktionen, hinter denen kein langes Nachdenken steckt: Ich habe etwas gelesen, und sofort twittere ich dagegen oder darüber, und dann womöglich auch noch in falscher Grammatik.“

 

Helmut Schmidt im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo (2012) im Zeit Magazin Nr. 17 vom 19.04.2012, S. 57

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