Die Spiele haben erneut begonnen: „Jigsaw“ aka. „Saw VIII“
- geschrieben von Thomas Heuer
- Publiziert in Film
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Der neue SAW-Film macht vieles richtig, was andere Teile der Reihe falsch gemacht haben, ist story-orientiert und schafft einen Spagat zwischen Altem und Neuem.
Rezension
Jigsaw wurde von vielen erwartet und von den Produzenten bis zum Kinostart weitestgehend unter Verschluss gehalten. Es gab einen kurzen Trailer, es wurde bekannt, dass Tobin Bell (John Kramer/Jigsaw) auf der Cast-Liste auftaucht, aber ob er wirklich wieder mitspielen würde, blieb eines der vielen Mysterien um den achten Teil des erfolgreichsten Horror-Franchise aller Zeiten. Da John Kramer im Verlauf der Serie bereits einem Krebsleiden zum Opfer fiel und in den späteren Teilen lediglich in Rückblenden zu sehen war, gilt es gemeinhin als narrative Lücke, falls Jigsaw wirklich wieder auftauchen sollte. Doch selbst der Titel deutet darauf hin, dass eben dies geschehen könnte. Doch im für die Serie üblichen Verwirrspiel, müssen die Zuschauer lange auf eine klare Antwort auf diese Frage warten.
Narrativ komplex, wenngleich das Ende ab einem gewissen Punkt vorhersehbar erscheint, und in düsterer Atmosphäre vermittelt, ist Jigsaw zugleich eine Weiterentwicklung in Stil und Stoff des Franchises, kein Reboot, was viele erwartet hatten, und dennoch den bekannten Mustern der frühen Saw-Filme treu. Kameraarbeit und Farbgestaltung entsprechen dem aktuellen Stilgefühl von Filmen und erinnern daher weniger an die älteren Teile, was aber nach sieben Jahren Pause nicht verwunderlich ist und auch nicht stört. Was für die Filme immer ein zentrales Qualitätsmerkmal war, ist der Stil des Schnitts. Es ist sehr erfreulich, dass Jigsaw von Kevin Greutert geschnitten wurde, der die Schnittästhetik der Filmreihe geschaffen und weiterentwickelt hat, denn er ist der Cutter von Saw I bis V und führte zudem Regie bei Saw VI und Saw 3D – Vollendung. Das Maß an Gewalt ist zurückgefahren worden, Jigsaw fokussiert die Stärke des Konfliktes aus gegenseitigen Abhängigkeiten und bringt somit das zurück, was in einigen Saw-Filmen einer überzogenen Gewaltinszenierung und immer abgedrehteren Folterfallen gewichen ist. Dennoch werden auch diese Elemente der Serie nicht negiert, die Folterspiele sind heftig, nahezu gnadenlos und punktuell extrem brutal. Dadurch wirken diese – ähnlich wie im ersten Teil der Serie – im Gesamtwerk deutlich stärker und auch nachhaltiger, grausamer. Auch wenn im ausverkauften Kinosaal einige Menschen als Reaktion auf die gezeigte Gewalt mit Lachen reagieren, an Jigsaw ist nichts witzig. Der Film ist ein harter Horrorthriller, der gekonnt mit Annahmen, Erwartungen und Vorurteilen der Zuschauer spielt und dies zu nutzen weiß, um das Schreckliche zu steigern.
Ob es eine weitere Fortsetzung geben wird? Es ist möglich, soviel steht fest. Selbst der Tod von John Kramer in Saw IV hat keinen Einfluss darauf gehabt, ob das Franchise und der Kult um den Jigsaw-Killer beendet werden. Somit gibt es auch bei diesem Film keine Garantie dafür, dass es den Schlusspunkt markiert. Dafür dürfte wohl der Gewinn an den Kinokassen ausschlaggebend sein. Wünschenswert wäre hierbei kein Schnellschuss, da die Serie sonst wieder zu einer Schlachtorgie verkommt, die zwar eine komplexe Handlung besitzt, aber nicht dafür bekannt ist. Gegen diesen Trend stellt sich Jigsaw und ist somit eine positive Überraschung.
Braucht die Welt einen weiteren Saw? Braucht die Welt überhaupt irgendeine Weiterführung von Stoffen, die erfolgreich sind? Das ist eine müßige Diskussion. Saw ist einer der besten Horrorfilme aller Zeiten, Teil 2 bis 7 sind so konzipiert worden, dass diese eine komplexe Handlung vermitteln und allesamt miteinander verbunden sind. Heutzutage würde man das vielleicht als Serie in einem Streamingdienst unterbringen, denn das ist im Grunde nichts anderes. Wer den ersten Saw mochte und mit den späteren Teilen nichts mehr anfangen kann, der wird in Jigsaw eine Fortsetzung finden, die man sich früher gewünscht hätte. Wer das Gesamtwerk kennt, bekommt eine langersehnte Fortsetzung, die jedoch mehr neue Fragen schafft, als offene zu beantworten. Die Figur John Kramer wird in diesem Film weiter charakterisiert, wenngleich dies durch Profiler der Polizei und Gerichtsmediziner geschieht. Die Ermittlungen stehen in diesem Film mehr im Fokus, waren jedoch immer ein zentraler Teil der Serie. Somit gelingt dem Film auch eine Treue zu den alten Werten, denn die philosophischen und ethisch sowie moralisch fragwürdigen Konstellationen der Selbstjustiz durch Jigsaws Spiele standen selten so sehr im thematischen Zentrum wie hier.
Wer eine spannende Mischung aus Crimethriller und wirklichkeitsnahem Horrorstoff sucht, wird in Jigsaw einen sehr gelungen, düsteren, durchtriebenen, cleveren und überraschenden Film finden. Partiell erinnert Jigsaw an die Qualität von Sieben, was überrascht. Setting und Stimmung des Werkes sind durchdacht und thematisieren Sünden, wodurch die Parallelen zu dem genannten Film entstehen. Jetzt habe ich über den Inhalt des Films nichts verraten, das wäre auch ein Sakrileg.
Trailer zu Jigsaw
Infokasten
„Jigsaw“ (AT: „Saw VIII“)
Regie: Michael und Peter Spierig (als The Spierig Brothers)
Drehbuch: Pete Goldfinger, Josh Stolberg
Produktion: Serendipity Productions, Twisted Pictures
Verleih: Studio Canal, Lionsgate
Laufzeit: 91 Minuten (uncut)
USA | Kanada | 2017
Ab dem 26.10.2017 im Kino.
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Thomas Heuer
Dr. phil. Medienwissenschaft
Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer
Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie
Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik