„Figaros Wölfe“, ein fiebriger Kunstrausch aus Deutschland
- geschrieben von Thomas Heuer
- Publiziert in Film
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Zwei Handlungsebenen werden durch eine junge Frau verbunden. Auf einem Berliner Dach gedreht, in schwarz-weiß und wunderbar geschrieben. Extremes Kino.
Kurzrezension
Colette (Saralisa Volm) liegt auf einem Häuserdach am Cottbuser Tor im Zentrum von Berlin. Die Frau trägt eine Sonnenbrille und ein Pünktchenkleid, wirkt selbstbewusst, aber wie die Unschuld selbst. Irgendwann tritt in die Sonne ein Mann, der die Ruhe der Frau stört. Er versucht einen Zugang zur Frau zu finden, will einen Kontakt herstellen, denn er beobachtet sie schon lange. Sie scheint etwas zu verbergen, etwas Düsteres und Grausames.
In der zweiten Erzählebene lässt der Film seine Zuschauer daran teilhaben, wie drei Kriminelle auf das Dach treten und sich als Vergewaltiger herausstellen. Sehr brutal, wenn auch nicht allzu explizit dargestellt, vergehen sich die drei an der Frau, nacheinander, wieder und wieder. Nebenher ist es der erste deutsche Film, dem es gelingt, Dialoge gelungen zu inszenieren, die wahrlich mit Tarantinos Pulp Fiction vergleichbar sind.
In der deutschen Filmlandschaft sucht man oftmals vergeblich nach herausragenden Filmen. Der von Phantastik durchzogene Figaros Wölfe ist jedoch endlich mal wieder ein Film aus Deutschland, der durchweg positiv überrascht. Ein extremer Film, zweifellos. Das Werk erinnert an den Pink-Film aus Japan, einem Genre, in dem Sex vorkommen muss und ansonsten die Ausgestaltung den Filmemachern frei überlassen wird.
Die teilweise absurd nebensächlich wirkenden Dialoge sind ebenso eine Herausforderung, wie es die fast schon stoische Darstellung der Schändung einer offenbar verwirrten Frau ist. Teilweise bricht sich das Chaos Bahn und man findet sich auf dem Trip ins Phantastische, Schreckliche wieder. Sowas gab es in Deutschland lange nicht. Was an dem Film für viele störend sein könnte, ist der Umstand des künstlerischen Ansatzes. Was Viele bei Tarantino oder Rodriguez – um zwei Regisseure zu nennen, die auf dem Fantasy Filmfest 2017 vom Publikum immer wieder als Vergleichsgrößen herangezogen werden – begeistert, kommt in der breiten Masse hier weniger an. Die Thematik könnte zu heftig sein, die Erzählung zu sehr eine Kurzgeschichte, die auf Hintergründe der Figuren weitgehend verzichtet. Hier geht es um Befreiung, ein Entledigen von Gewohnheiten und die Freiheit des Selbst. Im künstlerischen Ansatz lässt sich auch eine fein eingestreute Gesellschaftskritik lesen, die auch den Voyeurismus unserer Zeit immer stärkerer Exzesse und Extreme kritisiert.
In exzellenter Schwarzweiß-Optik und mit einem bemerkenswerten Drive entfaltet dieser Film einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Poetische Dialoge, einzigartige Charaktere und ein ungewöhnliches Setting machen Figaros Wölfe zu einem Geheimtipp. Solche Filme gehören ins Kino, haben aber hierzulande leider kaum eine Chance dazu, denn Figaros Wölfe geht dort weiter bei der Inszenierung, als es der deutschen Moral und Pietät – zumindest in Medien – entspricht.
Trailer zu Figaros Wölfe
Infokasten
„Figaros Wölfe“
Regie: Dominik Galizia
Drehbuch: Dominik Galizia
Laufzeit: 70 Minuten
Produzent: Dominik Galizia
Deutschland 2017
Thomas Heuer
Dr. phil. Medienwissenschaft
Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer
Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie
Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik