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„Ostzone“ – Klischees, Stumpfsinn und ein Psychokiller

Filmausschnitt M Square Pictures Filmausschnitt

René Rauschs neuestes Werk ist eine Zumutung in vielerlei Hinsicht. Selten gelingt es einen Film zu schaffen, der überhaupt nicht funktioniert.

In einem abgelegenen, verlassenen und im Verfall befindlichen Klinikum wollen Marius König (Simson Bubbel) und seine Frau Linda (Frederike Serr) eine Einrichtung für schwererziehbare Jugendliche einrichten. Da kommt die Möglichkeit, diese in einer verlassenen DDR-Ruine aufzubauen, recht günstig und schon wird der Kauf der Anlage unter Dach und Fach gebracht. Bei der Besichtigung ist noch die notgeile Anneliese Wagner (Valerie Cuenod) dabei, die in keinem Kontext zu dem jungen Pärchen vorgestellt wird, aber laut Klappentext eine Freundin ist. Notgeil insofern, als sie den ersten jungen Typen in der nahegelegenen Dorfkneipe (Chris Friedling) aufreißen will. Dieser deutet an, dass dem Gebäudekomplex irgendetwas Mysteriöses anhaftet, aber das seien nur Geschichten im Volksmund. Natürlich ist dem nicht so, also werden die Neubesitzer samt Gast und Fickgelegenheit von einer Psychopathin gejagt, die es nicht mag, wenn sie neue Mitbewohner hat.

Mittlerweile ist man ja viel Leid gewohnt, wenn es um deutschen Horrorfilm geht. Selbst Werke mit größerem Budget wie Benni Diez‘ Stung sind nur im unteren Mittelfeld filmischer Qualität zu finden. Machwerke wie Urban Explorer von Andy Fetcher machen den Ruf des Genrefilms in Deutschland nicht besser, ist im Vergleich zu Ostzone aber noch ein filmischer Hochgenuss. Was René Rausch hier mit Ostzone abliefert, grenzt an Körperverletzung. Der Film ist schlecht geschrieben, hat Anschlussfehler und narrative Lücken, Dialoge auf dem Niveau von Scripted-Reality-TV-Formaten, eindimensionale Figuren, die nicht mal den kleinsten Schatten werfen, Laiendarsteller, gestelzte Dialoge, die keine Authentizität aufweisen, mehrfach übersteuerten Ton, wackelige Kameraarbeit, die von einer gelungenen Cadrage noch nie etwas gehört zu haben scheint und ein Drehbuch, dass als Folterinstrument verwendet werden kann (Was ist eine Cadrage?). Aber, und das muss man dem Film zu Gute halten, Ostzone hat eine großartige Location. Blöd nur, wenn man nicht dazu in der Lage ist, etwas daraus zu machen. Das Potential, das hier verschenkt wird, ist nicht in Worte zu fassen. Auch wenn Ostzone eine Indie-Produktion ist, es gibt studentische Arbeiten, die in ihrem ersten Werk besser erzählen und bessere Darsteller haben, von Kameraarbeit und Effekten soll an dieser Stelle gar nicht erst angefangen werden.

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Die Location selbst ist, wie gesagt, beeindruckend. In einem Interview äußert der Regisseur:

„Es war ursprünglich laut Drehbuch geplant, in einem typischen Plattenbau zu drehen. Davon gibt es auch so einige leerstehende, die super geeignet waren. Leider ist es bei diesen Gebäuden immer schwer, einen Besitzer ausfindig zu machen und sollte man den Namen bei Ämtern erfragen können, so erreicht man niemanden unter der hinterlegten Adresse, da ist quasi niemand auffindbar. Sehr kuriose Sache. Aus Verzweiflung habe ich dann allgemein nach Objekten im Osten geschaut. Dabei bin ich auf die ehemalige Lungenheilstätte gestoßen, die in Lost Placer-Kreisen sehr bekannt ist.“ René Rausch im Gespräch bei Trugbilder

Ostzone2Scheinbar wurde verpasst, das Drehbuch an die neuen Örtlichkeiten anzupassen. Denn hier wird beispielsweise explizit auf die Dunkelheit im Keller hingewiesen, im nächsten Raum hat der Keller dann allerdings ein großes Fenster, durch das die Sonne direkt hineinscheint. Hier kommen dann noch Anschlussfehler hinzu. Die Figuren, besonders Linda und Anneliese sind sehr platt geschrieben (Gutmensch und notgeile Bitch) und dürften allein durch ihre Ausdeutungen keine Freunde sein.Ostzone4 Eine massive Schwäche im Drehbuch ist auch das Auftauchen eines Obdachlosen in der verlassenen Immobilie, der dann anschließend von der Killerin getötet wird, obwohl er schon seit längerer Zeit im Gebäude ist. Jeden anderen will die durchgeknallte Einwohnerin sofort töten. Die meisten Figuren wehren sich glücklicherweise auch gar nicht erst, wenn eine doch eher schmächtige Frau sie angreift. Daher sterben die Figuren dann alle nach und nach weg, bis auf Anneliese, die dann als Final-Girl mit einem vorhersehbaren Twist konfrontiert wird, der zumindest ungewöhnlich, aber wenig gelungen inszeniert ist.

Dieser Film kann nur als ein Machwerk übelster Sorte beschreiben. Es schmerzt, einen Film so bezeichnen zu müssen, aber das, was Ostzone tut, ist wirklich schrecklich, doch nicht, weil der Film das Genre durchdrungen hätte, sondern weil der Film schmerzt. Der Versuch Ostdeutsche und Westdeutsche aufeinander treffen zu lassen, wobei die „Ossis“ als dämlich und einfältig oder niederträchtig inszeniert werden, tut auch auf einer gesellschaftlichen Ebene weh. Denn hier verlässt nichts das Klischee, wenn es denn überhaupt erreicht wird. Im oben zitierten Interview kündigt der Regisseur und Autor an, dass es eventuell einen Ostzone 2 geben könnte. Wenn man damit den ersten Teil ungeschehen machen würde und das Szenario so zu nutzen weiß, dass der Schrecken wirklich manifestiert wird, und zwar im filmischen Werk und nicht durch den Film selbst, dann ist das vielleicht keine schlechte Idee.

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Mit einer Laufzeit von 67 Minuten (laut Cover 71) und mit Stereoton (laut Cover 5.1) ist Ostzone nicht viel mehr als eine Filmübung. Den Film anzusehen, kann man guten Gewissens als Zeitverschwendung bezeichnen. Nachdem Get Out uns dazu veranlasst hat, das Schlagwort „Beste Horrorfilme“ hinzuzufügen, ist es angesichts von Ostzone nun an der Zeit, das Äquivalent auf der anderen Seite der Skala einzuführen. Denn dieser Film gehört zu den schlechtesten Filmen, die ich je gesehen habe.

Trailer zu Ostzone

Infokasten

„Ostzone“

Regie: René Rausch

Drehbuch: René Rausch

Produktion: Hunter Productions

Laufzeit: 67 Minuten

Verleih: M Square Pictures

Deutschland | 2016

Ab 19.05.2017 im Handel auf DVD und Blu-ray-Disc.

Letzte Änderung amFreitag, 18 August 2017 22:59
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

Unter anderem auch das . . .

„Thought flows in terms of stories – stories about events, stories about people, and stories about intentions and achievements. The best teachers are the best storytellers. We learn in the form of stories.“

– Frank Smith

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