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Film

„Climax“: Intensität pur

Filmausschnitt Alamode Film Filmausschnitt

Gasper Noes neuestes Werk ist eins für die große Leinwand, für herausragende Soundwiedergabe und Cineasten. Allerdings ist Climax auch ein sehr spezielles Werk.

Rezension

Reguläre Kinobesucher oder gar jene Menschen, die kein Werk von Gasper Noe kennen, könnten von diesem Film die Beine weggezogen bekommen. Denn in einem zentralen Punkt bleibt der französische Ausnahmeregisseur seiner Linie treu: Der Film ist extrem!

Climax IntroKlassische Sehgewohnheiten werden hier zunächst strapaziert und dann nach und nach überwunden und abgelegt. Mag es manchen Kinobesucher noch überraschen, dass der Film mit dem Abspann (umgekehrt abgespielt) beginnt, so ist es für die Kenner von Noes exquisiten Werken eine erste Hommage an seine eigene Schaffenskraft. In diesem Fall mit einem Verweis auf Irreversibel. Climax ist gespickt mit filmischen Referenzen und zelebriert dennoch den Umstand, etwas vollkommen Eigenständiges zu sein. Die wilde Mischung aus innovativem Einsatz der Montage und langen Plansequenzen macht diesen Film zu einem ästhetischen Ausritt in die Abgründe der menschlichen Seele und den darin verborgenen Ängsten, Sorgen, Wünschen und Aggressionen. Kurzum, Climax ist ein weiterer Meilenstein der Filmgeschichte, der aus seinem minimalistischen Szenario ein Maximum an Intensität, Terror und Ekstase generiert.

climax 2Am letzten Abend vor dem Aufbruch zur USA-Tour feiert eine Tanztruppe in einer abgelegenen Schulturnhalle irgendwo in Frankreich. Neben den Tänzerinnen und Tänzern ist auch ein DJ dabei und die Managerin - selbst ehemals Tänzerin - mit ihrem kleinen Sohn. Die Exposition nimmt relativ viel Raum im Werk ein. Relativ, insofern als diese in zwei Segmente unterteilt werden kann. Zunächst werden Videoaufnahmen des Castings gezeigt. Dabei werden die einzelnen Charaktere vorgestellt, indem diese Antworten auf Fragen geben. Durch diesen Ansatz ist es möglich, eine Innenperspektive der Figuren zu offenbaren. Der zweite Abschnitt der Exposition zeigt zunächst eine Tanzperformanz. Anschließend gibt es ein Buffet und eine große Schüssel Sangria. Hier werden dann die Figuren nochmals vertiefend charakterisiert. In Kleingruppen unterhalten die Charaktere sich miteinander, oftmals über andere Mitglieder der Gruppe. Dabei geht es häufig recht derb zur Sache, vieles basiert auf Vorurteilen oder thematisiert Sex. Getrennt werden die einzelnen Perspektiven auf die Szenen durch Schnitte auf Schwarz. Was dann folgt, entzieht sich einer leicht zu beschreibenden Ästhetik und eskaliert zunehmend so sehr, dass ein Szenario menschlichen Schreckens entsteht. Ausgelöst wird dies durch die Hinzugabe von Drogen in die Sangria. In der weiteren Entfaltung werden die Figuren untereinander – ganz im Sinne Jean-Paul Satres – zur Hölle füreinander. Einfach großartig!

Trailer: Climax

Infokasten

„Climax“

Regisseur: Gaspar Noé

Drehbuch: Gaspar Noé

Produktion: Rectangle Productions, Wild Bunch, Les Cinémas de la Zone

Verleih: Alamode Film

Frankreiche | Belgien | USA | 2018

Veröffentlichung: Ab dem 06.12.2018 im Kino

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Letzte Änderung amMittwoch, 16 Oktober 2019 17:29
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

Unter anderem auch das . . .

„Unbestreitbar führt das Internet auch zu positiven Veränderungen. Das Negative besteht meiner Meinung nach darin, dass das Internet zu Oberflächlichkeit verleitet, zu spontanen Reaktionen, hinter denen kein langes Nachdenken steckt: Ich habe etwas gelesen, und sofort twittere ich dagegen oder darüber, und dann womöglich auch noch in falscher Grammatik.“

 

– Helmut Schmidt im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo (2012) im Zeit Magazin Nr. 17 vom 19.04.2012, S. 57

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