„Mandy“ – Psychodelische Selbstfindung
- geschrieben von Thomas Heuer
- Publiziert in Film
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Nicolas Cage ist zurück. In einem Indiefilm, der bestenfalls den abseitigen Geschmack befriedigen wird. Der Eröffnungsfilm des 32. Fantasy Filmfest (FFF) polarisiert, zumindest bei den Festivalbesuchern.
Rezension
Als langjähriger Stammgast auf dem Fantasy Filmfest hat man schon viele Eröffnungsfilme gesehen. Einige waren umstritten, manche großartig und wieder andere gar Meilensteine des modernen Films. Mandy tritt direkt in die Fußstapfen des letztjährigen Eröffnungsfilms ES, was ein schweres Erbe ist. In all den Jahren, egal ob ein Film vom Publikum primär gemocht oder nicht gemocht wurde, habe ich es nicht erlebt, dass ein Film auf dem FFF ausgebuht wird. In dieser Hinsicht schafft Mandy ein Novum. Auch der Applaus hält sich in Grenzen, im Foyer kotzen die Besucher sich lautstark über das Gesehene aus. Vom Stimmungsbild her könnte der Start des 32. FFF kaum schlechter sein.
Aber was ist nun vorgefallen, was hat Mandy getan? Der Film selbst ist in sich nicht stimmig und, wenngleich einige kurze Momente des Werkes beinahe an einen Geniestreich heranreichen, als Gesamtwerk wenig gelungen. Dazu mögen auch die Vorschusslorbeeren beigetragen haben, denn in Cannes wurde Mandy gefeiert – zumindest laut Vorrede von Festivalurgestein und CEO Rainer Stefan. Ferner führt er aus, dass Nicolas Cage in diesem Film die Performance seines Lebens biete und exakt die richtige Besetzung für dieses Werk sei. Letzterem muss nach Sichtung des Werkes deutlich widersprochen werden. Cage reicht in seiner Präsenz und Performance – sowohl emotional wie auch in Kampfsportsequenzen – nicht an seine große Zeit heran, besonders nicht in der Qualität, für die er einst den Oscar gewonnen hat (Leaving Las Vegas, 1995) oder seine überragende Darbietung in Lord of War. Nein, Cage wäre in diesem Werk komplett austauschbar. Er bereichert das Werk nicht, noch macht er es irgendwie schlechter, es ist eine solide Performance, aber eben nicht mehr als das.
Langsam werden in der Exposition die Figuren und ihre Konstellationen vorgestellt. Hierbei nimmt der Film sich viel Zeit, um in langen Einstellungen eine Form von Nähe zu erzeugen, die beispielsweise den Beginn von A Ghost Story so besonders macht. Das gelingt in Mandy jedoch nur eingeschränkt, dazu werden die Figuren schnell zu stereotyp und verflachen dadurch zunehmend. Nach der schleppenden Exposition beginnt die eigentliche Rachegeschichte. Doch erst an diesem Punkt des Werkes wird der Film dramaturgisch motiviert. Bis hierhin ist es Kunst, bei der die Frage bleibt: Was soll das? Allein dadurch ist Mandy bereits ansatzweise interessant. Doch die zweite Hälfte des Werkes bleibt die Antwort allerdings schuldig. Die ausschweifende Exposition wirkt im Rachesegment überhaupt nicht rückgekoppelt. Die Beziehung von Red (Nicolas Cage) und Mandy (Andrea Riseborough) wirken maximal wie ein loser Faden, der das Werk umspannt, aber nicht zusammenhält.
Der Film offenbart eine lange Aneinanderreihung von Logiklücken – was in einem Mindfuck-Movie kein großes Problem sein muss – und Plotholes, die wahrlich schmerzlich die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Sequenzen vermissen lassen. Da helfen auch keine ästhetisch ansprechenden Farben und ein wahrer Bilderrausch sowie übernatürlich anmutende dämonische Kreaturen, die für die Gotteskinder arbeiten, um diesen Film aus dem herauszuführen, zudem er final verflacht: Trash. Allerdings hochgradig ästhetischer Trash.
Insgesamt ist Mandy kein Totalausfall. Allerdings kollidieren hierbei verschiedene Ästhetiken, was ein interessantes Konzept ist, letztlich jedoch zum primären Problem wird, an dem Mandy scheitert. Daran und an dem Umstand, dass weitgehend auf erzählerische Führung verzichtet wird.
Trailer zu Mandy
Infokasten
„Mandy“
Regisseur: Panos Cosmatos
Drehbuch: Panos Cosmatos und Aaron Stewart-Ahn
Produktion: SpectreVision, Umedia und Legion M
Verleih: Koch Media
USA | 2018
Veröffentlichung: 29.11.2018 (DVD, Blu-ray, VoD)
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Thomas Heuer
Dr. phil. Medienwissenschaft
Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer
Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie
Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik