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„Zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten“ – Gründe für die Unwählbarkeit der AfD

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Anlässlich der Landtagswahl in Thüringen, wo die AfD laut Umfragen sehr stark ist, verweise ich auf Heinrich Deterings entlarvende Kritik an der AfD-Rhetorik.

Buchkritik und Appell

Am Sonntag, den 27. Oktober 2019, wird in Thüringen der Landtag gewählt. Einer Umfrage von infratest-dimap zufolge wäre die Alternative für Deutschland (AfD) mit 24 Prozent die zweitstärkste Partei, zusammen mit der Christlich-Demokratischen Union (CDU), die ebenfalls 24 Prozent erhielte, hätte die Wahl am Sonntag nach der Befragung stattgefunden (Quelle: infratest-dimap). Insofern ist die Sonntagsfrage keine Wahlprognose, aber doch ein Stimmungsbarometer, das bedenkliche Werte anzeigt. Mein Appell an alle wahlberechtigten Thüringer:innen ist daher: Geht zur Wahl, aber wählt nicht die AfD. Wählt die AfD vor allem weder aus Protest noch aus vermeintlicher Übereinstimmung mit dem Gedankengut, das diese Partei mal indirekt, mal weniger indirekt oder gar offen-polemisch vertritt. Man sollte sich gut überlegen, wem man aus Protest Macht verleiht oder für welches Gedankengut man seine Stimme abgibt, wenn man die AfD wählt. Wer sein Leben in dieser Gesellschaft schätzt, aber auch wer es aus verschiedensten Gründen im Leben schwer hat, sollte darüber nachdenken, ob ihm oder ihr damit geholfen ist, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung Schaden nimmt oder sogar abgeschafft wird. Nimmt man die Äußerungen führender AfD-Politiker:innen ernst und untersucht sie auf ihren Bedeutungsgehalt, dann kann der Eindruck entstehen, dass dieser Partei nicht an den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gelegen ist.

Was bedeutet es, wenn die Hitler-Zeit als „Vogelschiss“ bezeichnet wird?

Herausgearbeitet hat diese Lesart unter anderem der Literaturwissenschaftler und Lyriker Heinrich Detering in einer Rede während der Plenarsitzung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken am 23. November 2018, einer Rede, die in gekürzter Fassung in mehreren Zeitungen veröffentlicht wurde (zum Beispiel in der Frankfurter Rundschau) und die 2019, erstmals vollständig, in der Reclam-Reihe Was bedeutet das alles? unter dem Titel Was heißt hier „wir“? Zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten erschienen ist. Darin spürt Detering den Bedeutungen verschiedener Äußerungen von AfD-Politikern und -Politikerinnen wie Björn Höcke, Alice Weidel, Alexander Gauland und Beatrix von Storch nach. Mittels Close-Reading-Methode untersucht, kontextualisiert und interpretiert der Forscher diese Aussagen, wobei Interpretation nicht ‚Hineindichten‘ meint, sondern das für alle Leser:innen nachvollziehbare Auswerten der Worte, Sätze und Kontexte der getätigten Aussagen. Was etwa bedeutet es, wenn AfD-Politiker:innen die Hitler-Zeit als „Vogelschiss“ bezeichnen (zitiert nach Detering, S.8.), die SPD-Politikerin Aydan Özoğuz „in Anatolien entsorgen“ wollen (Ebd.) oder von „Kopftuchmädchen und alimentierten Messermännern“ sprechen (S.11)? Durch sorgfältiges Lesen fördert Detering bedenkliche Bedeutungskontexte zu Tage, mit denen sich die  AfD für eine Wahl selbst disqualifiziert, insbesondere aus Sicht einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft auf Basis eines Grundgesetzes, das dazu auffordert, ja, einfordert, die Würde aller Menschen, nicht nur der Deutschen, zu achten.

Statt Empörung: die vergleichende Analyse rechter Rhetorik

Warum also ist die AfD unwählbar? Folgen wir hierfür exemplarisch einigen Argumentationen von Detering. Doch zunächst kurz worum es dem Literaturwissenschaftler in seiner Rede geht: Er will offenlegen, wie die AfD versucht, den öffentlichen Diskurs durch bestimmte, die Höflichkeitsformen missachtende Begriffe und Wendungen zu besetzen und so die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken (S.7-9). Ihre Äußerungen rechtfertige die Partei mit einem Kampf gegen eine vermeintliche Political Correctness, die ihr verbiete zu sagen, was sie zu sagen habe (S.7). Daher bliebe ihren Gegnern öffentlich und privat nur die hilflose Empörung über das Geäußerte (Ebd.). Detering führt einen Ausweg vor, nämlich eine Analyse der Rhetorik, die genau hinschaut.

Dass nicht das Wort „Vogelschiss“ böse ist, sondern seine Anwendung auf den industriell organisierten Massenmord an den europäischen Juden, das ist eine Banalität – und doch fällt es erfahrungsgemäß oft schwer, sie im Eifer des Gefechts im Auge zu behalten (S.8).

Während der öffentliche Diskurs sich oft auf einzelne Sätze oder Worte konzentriert, richtet Detering den Blick nicht allein auf die Wörter, sondern auch auf „ihre Kontexte, ihre Pragmatik und ihre Performanz“ (Ebd.). Es gehe um Stilanalyse und Rhetorik (Ebd.) In dieser Weise untersucht der Wissenschaftler einige der meistdiskutiertesten Äußerungen führender AfD-Vertreter:innen auf jene „semantischen und stilistischen Merkmale, die nicht unmittelbar evident sind“ (S.9), also auf Bedeutungs- und Stileigenschaften, die nicht sofort auffallen. Und Detering findet Erstaunliches.

Die Manipulation des öffentlichen Diskurses durch suggestive Begriffskombinationen

Es folgen nun die versprochenen Argumentationen von Detering, welche für sich genommen die AfD schon unwählbar machen. Es sind nur einige von vielen, die hier exemplarisch angeführt werden. Zunächst wäre da die Suggestion mithilfe von Begriffskombinationen, durch welche die AfD versuche, den Diskurs zu manipulieren (S.11). Ein Beispiel hierfür liefert Alice Weidel, die in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 16. Mai 2018 von „Kopftuchmädchen, alimentierten Messermännern und sonstigen Taugenichtsen“ gesprochen hat (Ebd.). Nicht nur werde, so Detering, durch diese Begriffskombination das „Messer“ und das „Kopftuch“ als maßgebliche soziale Geschlechtsmarkierungen von Musliminnen und Muslimen angeführt und beides – Kopftuch und Messer – als gleichwertig gewaltaffin dargestellt, auch werde stillschweigend vorausgesetzt, dass diese zugewiesenen Attribute die so Bezeichneten als Taugenichtse ausweise (Ebd.). „Wer diese Fremden alimentiert, wie es der von Frau Weidel namentlich attackierte Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter fordert, der finanziert in dieser Logik das Verbrechen“ (Ebd.), schlussfolgert Detering und legt die versteckte Suggestion offen. In diese Kategorie gehört auch Alice Weidels Äußerung, dass „wir von kulturfremden Völkern wie Arabern, Sinti und Roma etc. überschwemmt werden“ (S. 10), eine Äußerung, die in einer privaten E-Mail getätigt wurde, die Weidel „im Nachhinein und mit wenig glaubwürdigen Gründen zur Fälschung erklären ließ“ (Ebd.). Das Wort kulturfremd besagt hier laut Detering weniger, dass diesen Völkern unsere Kultur in Deutschland fremd sei, sondern dass ihnen Kultur an sich fremd sei und dass sie folglich keine Kultur hätten, also Barbaren seien (Ebd.).

Eine ähnliche Suggestion, die das politische Establishment diffamieren soll, ist der von Björn Höcke und Alexander Gauland verwendete Begriff „Kanzler-Diktatorin“, der auf Angela Merkel bezogen ist (S.13) und, so meine Interpretation, eine unrechtmäßige, despotische Regierungsweise andeutet, die faktisch nicht gegeben ist. Ähnlich suggestiv verfährt Gauland in einer Wortmeldung im Bundestag zu der rechtsradikalen Gewalt gegenüber Ausländern in Chemnitz im September 2018: „Hass ist erstens keine Straftat und hat zweitens in der Regel Gründe.“ (S.19-20, nachzulesen auf Tagesschau.de). Ohne den Kontext der Chemnitzer Ausschreitungen ist dies eine zumindest nachvollziehbare, wenn auch banale Aussage. Mit dem Kontext, der aber nun einmal gegeben ist, muss man sich allerdings fragen, was Gauland mit dieser Aussage tatsächlich meint. Laut Detering legt Gaulands Äußerung die unausgesprochene Schlussfolgerung nahe, dass begründeter Hass begründete Straftaten erzeuge. In dieser Lesart rechtfertigt Gauland also die Gewalt in Chemnitz, wenn auch indirekt.

„Die Kunst der subtilen Ambivalenz, die […] den Rückzug ins Unanstößige offenhalten soll“ (S.27)

Ein weiterer rhetorischer Trick, den sich die AfD zu eigen macht, ist Detering zufolge eine „Redeweise, die nichts gesagt haben will und doch sehr viel mehr sagt, als sie zugibt“ (S.18). Es geht dabei um eine „manipulative Rhetorik des Behauptens und Ausweichens“ (S.19), die sich einer unterschwelligen Zweideutigkeit bedient, „die jederzeit den Rückzug ins Unanstößige offenhalten soll“ (S.27). Zweck dieser Rhetorik sei es, „die Grenzen des Sagbaren auszuweiten“, wie Gauland in der FAZ in Bezug auf seine „Vogelschiss“-Äußerung sagte (S.8). Ein Beispiel für diese Taktik der bewussten Zweideutigkeit ist eine Äußerung Gaulands in einem FAZ-Interview am 4. September 2018: „Wir sind der Pfahl im Fleische eines politischen Systems, das sich überholt hat“ (S.15). Detering nimmt diese Aussage ernst und fragt nach ihrer Bedeutung (Ebd.). Was meint Gauland ganz konkret mit dem Wort System und was meint er genau, wenn er davon spricht, dass dieses System „sich überholt hat“? Meint er etwa, dass die Demokratie sich überholt hat und nun ein Systemwechsel ansteht, den die AfD, der „Pfahl im Fleische“, einleiten will? Noch im selben Interview rudert Gauland zurück: „Kein vernünftiger Mensch“ habe behauptet, „dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung weg muss“ (S.15-16). Aber dem AfD-Politiker geht es dann doch um mehr als nur die Ablösung der Bundesregierung, denn er äußert zudem, dass „mehr weg müsse als nur die regierende Bundeskanzlerin“, nämlich „dieses politische System“ (Ebd.). Detering betont, dass ein Regierungswechsel innerhalb einer Demokratie ganz normal sei, allerdings grundverschieden von einem Systemwechsel (S.16). Hier wird deutlich, wie Gauland sehr viel Radikaleres zum Ausdruck bringen will, als es zunächst scheint, indem er es erst verkleidet in Metaphern vorbringt („Pfahl im Fleische eines politischen Systems“, siehe oben) und sich dann strategisch auf eine gemäßigtere Position zurückzieht.

Der Spitzenkandidat der AfD in Thüringen, Björn Höcke, hat in seiner Dresdner Rede im Januar 2017 die „rassistische Verschwörungstheorie der angeblichen ‚Umvolkung‘“ (S.12) aufgegriffen, auf die sich auch der Attentäter von Christchurch in Neuseeland mit den Worten „The Great Replacement“ („Der große Austausch“) berufen hat (Quelle: Tagesschau.de). Höcke sagte: „Unser liebes Volk ist im Inneren tief gespalten und durch den Geburtenrückgang sowie die Masseneinwanderung erstmals in seiner Existenz tatsächlich elementar bedroht“ (S.23). Und Höcke weiter: „Aber wir, liebe Freunde, […] wir werden uns unser Deutschland Stück für Stück zurückholen“ (S.24). Dazu Deterings Deutung unter Hinzunahme weiterer Redezitate, die hier aus Platzgründen nicht wiedergegeben werden:

Höckes deutsches Volk – das sind zuerst seine Gesinnungsgenossen; gleich danach aber kommen wir anderen, Abtrünnigen oder demokratisch Verführten, die „zurückgeholt“ werden müssen. (Ebd.)

Und wieder befragt Detering die Äußerungen nach ihrem Bedeutungsgehalt: Was meint Höcke mit „zurück“? Wohin will er zurück? Dem Forscher zufolge setzt Höcke eine Zeitenwende voraus, durch die das geforderte Zurück erst Sinn ergibt, „einen Gegensatz von Vorher und Nachher“ (Ebd.) Aber was war vorher? Wann war vorher? „[W]ann beginnt das gedemütigte, erniedrigte Jetzt?“, fragt Detering (Ebd.) Die Antwort findet sich in Höckes Rede. Demnach waren die Zustände noch gut und richtig vor der „umfassenden Amerikanisierung“ und vor der „nach 1945 begonnenen systematischen Umerziehung“ (Ebd.). In diesem Zusammenhang spricht Höcke von dem Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ (S.25). Auch wenn Höcke diese Phrase nachträglich relativiert und damit, so Höckes Worte, „den von den Deutschen verübten Völkermord an den Juden“ gemeint habe (Ebd.), so weist Detering unwiderlegbar nach, dass der Holocaust in dem Kontext der Dresdner Rede nicht ansatzweise Erwähnung findet, sondern mit der Wendung „Denkmal der Schande“ etwas ganz anderes gemeint sei, was der Literaturwissenschaftler durch weitere, hier nicht angeführte Auszüge aus der Rede zusätzlich plausibilisiert. Detering kommt zu folgendem Schluss:

Wenn Höcke an diesem Punkt seiner Rede vom „Denkmal der Schande“ spricht, dann bezieht sich dieser Ausdruck […] nicht auf das durch das Denkmal erinnerte Geschehen. Die Schande ist für ihn das Denkmal selbst, als Ausdruck für den „Gemütszustand […] eines total besiegten Volkes“ (S.27).

In der Verwendung der Phrase „Denkmal der Schande“ sieht Detering ein weiteres, diesmal äußerst anschauliches Beispiel für die Rhetorik der Zweideutigkeit, „die nichts gesagt haben will und doch sehr viel mehr sagt, als sie zugibt“ (S.18):

Die Art, in der Höcke sich die bei [dem Journalisten und Spiegel-Gründer Rudolf] Augstein oder [dem Schriftsteller Martin] Walser gefundene Wendung vom „Mahnmal der Schande“ aneignet, in der Zweideutigkeit von genitivus obiectivus (das Denkmal erinnert an die Schande) und genitivus explicativus (das Denkmal ist schändlich), gibt ein besonders instruktives Beispiel für die Kunst der subtilen Ambivalenz, die ihm hier, nicht anders als Gauland, jederzeit den Rückzug ins Unanstößige offenhalten soll. Im Vertrauen auf eine öffentliche Wahrnehmung, die sich mit der Skandalisierung eines Wortes oder eine Wendung begnügt, will er nachträglich den Kontext vergessen machen, in dem das eigentlich Gemeinte gar nicht zu überhören war (S. 27-28).
Wer ist für die AfD „unser Volk“? Wen meint sie mit „wir“?

Detering geht in seinen vergleichenden Analysen einer Leitfrage nach, die auch den Titel seiner Rede definiert: Wer ist in den Äußerungen führender AfD-Politiker:innen mit „wir“ gemeint, wer ist ihnen zufolge „unser Volk“ (S.9)? Oft ist dieses ominöse „wir“ laut Detering durch „negative Ab- und Ausgrenzungen“ (S.21) bestimmt, will sagen: Die AfD äußert vielfach, wer ihrer Meinung nicht dazu gehört, wie die oben angeführten Zitate von Alice Weidel belegen. In Höckes Dresdner Rede wird es dagegen deutlicher. Detering schreibt:

Man muss sich das in der Deutlichkeit vor Augen halten, in der er [Höcke] es selber [in der Dresdner Rede] sagt. Höckes Antwort auf die Frage, wen er mit „unser Volk“ meint, lautet: das, was am 8. Mai 1945 besiegt worden ist. Dagegen sind für ihn alle, die heute in Deutschland leben und sich zu Demokratie, Westbindung, offener Gesellschaft bekennen, Volksfeinde und Verräter – im günstigsten Fall noch irgendwie „zurück[zu]holen“, an den schlechtesten mag man gar nicht denken (S.29).

In seiner Rede führt Detering noch viele weitere Zitate von AfD-Politiker:innen an und analysiert sie vergleichend. Auf diese Weise rekonstruiert er den Zusammenhang zwischen diesen Äußerungen, der sachlich gegeben ist, wenn man jede einzelne dieser Äußerungen ernstnimmt und genauso versteht, wie sie vorgebracht worden ist. Dem Literaturwissenschaftler gelingt dies sehr viel besser, als es in dieser kurzen Zusammenschau den Anschein hat, eine Zusammenschau, die nur exemplarisch sein will, um in aller Kürze auf die problematische, nach rechts außen gerichtete und staatsfeindliche Weltsicht der AfD hinzuweisen. Eine eingehendere Lektüre von Deterings Aufsatz sei daher allen Leserinnen und Lesern dringlichst ans Herz gelegt.

Schlusswort: Geht wählen, aber wählt nicht die AfD

Der Literaturwissenschaftler und Lyriker Heinrich Detering zeigt mit seiner Rede Was heißt hier „wir“? Zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten nicht nur, in welcher besonderen Weise ein an der Literaturwissenschaft geschultes Interpretationsverfahren für die Gesellschaft fruchtbar gemacht werden kann. Der Forscher zeigt auch, dass wir uns für Sprache sensibilisieren sollten – welche Worte benutzen wir im Alltag und welche Begriffe werden uns durch den öffentlichen Diskurs nahegelegt, sowie darüber hinaus: mit welchen Ideen und Gedanken sind diese Worte und Begriffe verknüpft? Weiterhin wird deutlich, dass, wer die AfD wählt, sich klarmachen sollte, wem er da durch seine Stimmabgabe Macht zuspricht und ob er oder sie es vertreten kann, dass rechtes Gedankengut wieder Gesellschaftsstrukturen beeinflussen und Menschenleben prägen soll. Wohin das führen kann, belegt nicht nur die Geschichte des 20. Jahrhunderts, sondern auch die jüngste Politik der PiS-Partei in Polen. Zudem arbeitet Detering unter anderem heraus, wie AfD-Vertreter:innen mittels Suggestion und verschleiert durch unterschwellige Zweideutigkeit Wertvorstellungen zum Ausdruck bringen, die nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sind, diese sogar abzulehnen scheinen. Mit einer vermeintlichen Political Correctness, gegen die sich die AfD zu Wehr zu setzen glaubt, hat das folglich nichts zu tun. Vielmehr geht es darum, den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen und die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, was Nährboden für noch radikalere Äußerungen schafft.

Ich wiederhole daher mein Appell an alle Thüringer:innen: Geht zur Wahl, aber wählt nicht die AfD. Für einen solchen Appell gibt es zahlreiche sachliche Gründe, von denen die Sprache der AfD und das in dieser Sprache aufscheinende Gedankengut nur einer von vielen ist.

 

Verwendete Literatur

Augstein, Rudolf: „Wir sind alle verletzbar“. In: Spiegel online (1998).

Ausschreitungen in Chemnitz 2018 [Art.] In: Wikipedia.

Bender, Justus: AfD-Chef im Interview – Gauland für „friedliche Revolution“ gegen das „politische System“. In: Frankfurter Allgemeine (2018).

Close Reading [Art.] In: Wikipedia.

Detering, Heinrich: Der rechte Redner befiehlt, die Zuhörer folgen. In: Frankfurter Rundschau (2018).

Detering, Heinrich: Impulsvortrag „Zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten – Wer ist wir?“ In: ZDK.de (2018).

Detering, Heinrich: Was heißt hier „wir“? Zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten. 4. Auflage. Reclam, 2019.

Generaldebatte im Bundestag: „Keine Entschuldigung für Hetze und Parolen“. In: Tagesschau.de (2018).

Gensing, Patrick: „Manifest“ zu Christchurch – Pathos und Rassismus. In: Tagesschau.de (2019).

infratest-dimap: LänderTREND. Thüringen Oktober 2019 im Auftrag der ARD. In: infratest-dimap.de (2019).

Martin Walser gegen Holocaust-Mahnmal. In: Spiegel online (1998).

Nowotny, Konstantin: Höcke-Rede im Wortlaut: „Gemütszustand eines total besiegten Volkes“. In: Der Tagesspiegel (2017).

Alle Links zuletzt abgerufen am 27.10.2019

 

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„Was heißt hier „wir“? Zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten“

Autor: Heinrich Detering

Verlag: Reclam

60 Seiten, Softcover, 4. Auflage (auch als Hardcover verfügbar)

Deutsche Erstausgabe (Druck/Digital) 2019, Leseprobe auf Reclam.de

Bildrechte: Die Bilder dieses Artikels sind Ausschnitte aus dem besprochenen Medieninhalt. Deren Rechteinhaber können Sie dieser Infobox entnehmen.

Letzte Änderung amFreitag, 26 Juni 2020 15:43
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

„Ein Dichter, der sich real auf die Seite des Pazifismus schlägt, ästhetisch aber auf die der Gewalt, befindet sich durchaus nicht in einem Widerspruch.“

Alban Nikolai Herbst in Schöne Literatur muß grausam sein

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