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Film

„Pokémon Meisterdetektiv Pikachu“: Spaß für alle Altersgruppen

Empfehlung Werbematerial (Ausschnitt) Warner Bros., Nintendo, Legendary Pictures Werbematerial (Ausschnitt)

Dem neuen Pokémon-Film gelingt ein Kunststück, denn das Werk bietet für Kinder, Jugendliche und Erwachsene viel Unterhaltungswert und beeindruckende Animationen.

Rezension

Pikachu mit LupeMeisterdetektiv Pikachu erscheint auf den ersten Blick wie eine weitere kommerziell-motivierte Nutzbarmachung der Marke Pokémon. Zweifellos ist dies auch der Fall, doch der Film ist tatsächlich bedeutend mehr als das. Zunächst hat man sich nahezu vollständig vom ursprünglichen Stoff abgewandt, bei dem es darum geht, seine Pokémon zu kontrollieren, zu trainieren und dann in Kämpfen mit anderen Trainern das Optimum aus dem niedlichen Tierwesen herauszuholen. Diese „Versklavung“ der Pokémon wurde in den vergangenen Jahren immer wieder abgeschwächt, ist aber noch immer zentraler Bestandteil des aktuellen Videospiels auf der Switch Pokémon Let’s Go Pikachu/Evoli. In Pokémon Go war ein solches Kräftemessen immer nur sekundär und wurde vor Kurzem überhaupt erst im Spiel möglich. Meisterdetektiv Pikachu erzählt nun von einer Stadt, in der Pokémon und Menschen in einer symbiotischen Einheit leben, miteinander Probleme des Alltags überwinden und in der Kämpfe zwischen Pokémontrainern bei Strafe untersagt sind.

PDP TimPikachu

Tim und Pikachu während ihrer Ermittlungen.

BizasamsIn diese Stadt führt es Tim (Justice Smith), nachdem sein Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Dieser war Polizist und gemeinsam mit seinem Partner, einem Pikachu (Ryan Reynolds) an einer großen Sache dran. Tim hat sich weitgehend von seinem Vater entfremdet, der sich nach dem Tod seiner Frau komplett in die Arbeit geflüchtet hat. Aus diesem Grund ist Tim auf dem Land bei seiner Großmutter aufgewachsen. Als Kind träumte er von einer Karriere als Pokémontrainer, doch diese kindlichen Bestrebungen sind assoziiert mit dem Verlust von Mutter und der Entfremdung mit dem Vater und gehören daher der Vergangenheit an. Tim will nur schnell die Hinterlassenschaften seines Vaters regeln, doch dann hat er eine schicksalhafte Begegnung mit dem Pikachu seines Vaters. Tim kann alles verstehen, was der kleine gelbe Pikachu von sich gibt. Normal ist das nicht, denn die Menschen verstehen die Pokémon nicht, sondern hören lediglich die Laute, die diese machen und nach denen sie benannt sind. Bei allen anderen Pokémon geht es Tim auch genau so, nur dieses Pikachu versteht er bestens. Auf der Suche nach Antworten beschließen die beiden gemeinsam zu arbeiten, was der Auftakt zu einer turbulenten Geschichte ist, die stark an einen Film-Noir erinnert.

Tim und Schlurp

Tim trifft auf ein Schlurp.

PDP Pikachu auf MarktLetzteres ist zum einen in der Art der Erzählung begründet, bei der ein ungleiches Team von Ermittlern auf eigene Faust in einem kriminellen Milieu Nachforschungen anstellt und dabei auch nicht auf eine Rückendeckung durch die Polizei setzen kann. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Wahl der Handlungsorte, wie beispielsweise abgelegene Gassen, verlassene Lagerhäuser oder ein illegaler Kampfring für Pokémon. Zudem glaubt eine Vertreterin der Presse (Kathryn Newton) an eine Verschwörung und wendet sich damit an Tim und sein Pikachu. Alles wird hier sehr verharmlost inszeniert und durch den Sarkasmus, die Ironisierung der Taten und den Zynismus des Pikachus zusätzlich abgeschwächt. Letzteres verdeutlicht allerdings besonders älteren Zuschauer:innen, das einiges von dem, was grade auf der Leinwand geschieht, alles andere als harmlos ist. Beispielsweise die Inszenierung eines Verhörs, das in einer Foltersequenz endet, mit brutalem Ausgang. Da hier ein Pantimos gefoltert wird, ein Pokémon, das keine Laute von sich geben kann und alles pantomimisch vermittelt, wirkt das relativ harmlos. Vergegenwärtigt man sich allerdings, was da gerade geschieht, befinden wir uns in einem Bereich von Folter, durch die Tarantinos Reservoir Dogs seinerzeit massiv aneckte. Natürlich wird das hier unter dem Deckmantel inszeniert, dass nur das Pantimos wirklich glaubt, was diesem widerfährt, doch die Folter ist vorhanden. Ein Beleg dafür, dass Folter endgültig im Kino für alle Altersklassen nicht nur angekommen, sondern als probates Element der Erzählung etabliert ist.

Enton und Pikachu

Das gestresste Enton möchte eine Fußmassage von Pikachu.

Insgesamt unterhält Meisterdetektiv Pikachu sehr gut. Dabei ist es vornehmlich der markige und bissige Humor des Pikachus, der diesen Film besonders macht. Grade im Zusammenspiel mit einem Enton, das tapsig und etwas verwirrt erscheint, entsteht hier zudem viel Situationskomik. Aber auch einige kleine Abweichungen von der Hollywoodformel sorgen für Frohsinn und eine emotionale Mitnahme der Zuschauer:innen. Dabei ist es dann eher nachrangig, ob die eigentliche Geschichte überraschen kann oder nicht. Was die Computeranimationen angeht, setzt dieser Film übrigens Maßstäbe.

Pokémon Meisterdetektiv Pikachu ist ein erstes Highlight des Kinojahres 2019, im Mainstreamfilm. Das liegt daran, dass der Film eben nicht das ist, was man erwarten würde, sondern ein recht eigenständiges Werk darstellt. Gelegentliche Spitzen von satirischer Gesellschaftskritik, wie beispielsweise ein Praktikantenbüro, das eher ein Schrank unter einer Treppe als ein Büro ist, und die knuffigen Pokémon machen den Film zu etwas Besonderem. Seit Falsches Spiel mit Roger Rabbit hat kein Film derart virtuos Animation und Realfilm verbunden, wie es hier geschieht. Dass Pokémon Meisterdetektiv Pikachu bisher an den Kinokassen in den USA nicht kostendeckend gelaufen ist, dürfte bei aller Qualität dafür sorgen, dass der Film als Flop gewertet wird. Ein ähnliches Schicksal ereilte in den letzten Jahren auch andere Blockbuster-Filme, die nicht vollständig in den Mainstream passen, wie Ghost in the Shell oder Blade Runner 2049.

Trailer Pokémon Meisterdetektiv Pikachu

Infokasten

„Pokémon Meisterdetektiv Pikachu“ (OT: „Pokémon Detective Pikachu“)

Regie: Rob Letterman

Drehbuch: Dan Hernandez, Benji Samit, Rob Letterman und Derek Connolly sowie Nicole Perlman (Stroy)

Ursprungsgeschichte: Tomokazu Ohara und Haruka Utsui sowie Atsuko Nishida (Charaktere)

Erfinder von Pokémon: Satoshi Rajiri, Ken Sugimori und Junich Masuda

Produktion: Warner Bros., Legendary Pictures, The Pokémon Company, Toho Company, Province of British Columbia Production services Tax Credit, Nintendo, Creatures und GAME FREAK

Verleih: Warner Bros.

Laufzeit: 104 Minuten (uncut)

USA | Japan | Kanada | 2019

Veröffentlichung: Ab dem 10.05.2019 im Kino in 2D und Stereo-3D.

Bildrechte: Die Bilder dieses Artikels sind Ausschnitte aus dem besprochenen Medieninhalt. Deren Rechteinhaber können Sie dieser Infobox entnehmen.

Letzte Änderung amFreitag, 31 Mai 2019 16:59
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

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„Phantastische Literatur: ungenauer, auch missverständlicher Sammelbegriff für ein breites, auch Triviales [...] umfassendes Spektrum von Literatur. Das Phantastische erscheint in der fiktionalen oder imaginativen Literatur als vielschichtiges Phänomen.“

–  Literatur Brockhaus

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