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Gaming

Ersteindruck: „The Witcher 2 – Assassins of Kings“

Digitales Wallpaper (Ausschnitt) CD Projekt Red Digitales Wallpaper (Ausschnitt)

Nach einem ersten Anspielen kann ich eins schon mal sagen: Assassins of Kings fühlt sich wie ein echtes Witcher-Spiel an. Fans werden ihre Freude haben.

Angespielt

Hier finden sich meine Spieleindrücke, die sich während der ersten Abenteuer im Prolog ergeben haben. Sie können keinesfalls für's ganze Game gelten.

 

Story: nahtloser Anschluss

Geralt der Hexer flüchtet durch den Wald, wirft Blicke über die Schulter, wird verfolgt. Schließlich bricht er entkräftet zusammen, erblickt noch kurz vor der Ohnmacht auf ihn zu rennende Gestalten: Spieler des ersten Teils werden sie als Hexerkollegen aus Kaer Morhen erkennen. Die Szene entpuppt sich als Traum, der die mysteriöse Wiederkunft des Hexers anzitiert, erfuhr man doch von dem Barden Rittersporn in Wyzima, dass Geralt den Tod gefunden hatte. Fünf Jahre vor dem ersten Spiel nämlich, so der Barde, soll es den Hexer ganz unvermittelt erwischt haben: die Mistgabel eines Bauern hatte ihn durchbohrt. Dennoch war Geralt wiedergekehrt. Er weiß selbst nicht, wie das möglich war. Sein Gedächtnis ist noch immer gelöscht. Seine einzige Erinnerung: Die Flucht durch den Wald, die ihn als Alptraum heimsucht.

Aus diesen Nachtmahren erwachend, findet der Hexer sich im Kerker von König Foltest wieder. Kurz darauf wird er verhört. In den Rückblenden, wie Geralt es dorthin gebracht hat, werden weitere offene Erzählstränge aufgegriffen: Nicht nur Triss Merigold taucht auf. Auch der Königsmörder, den der Hexer zur Strecke gebracht hat, spielt weiterhin eine Rolle. Die Anknüpfungspunkte an das Ende von The Witcher sind unmittelbar. Sich durch Wyzima einen Weg bis zum König gebahnt, ist Geralt jetzt Teil von Foltests Gefolgschaft – und Teil des königlichen Krieges. Eine für den Hexer unliebsame Kombination, die ihm zuletzt den Kerker eingebracht hat. Von Held und Königsretter zum Gefangenen und Gefolterten. Der Prolog von The Witcher 2 – Assassins of Kings deutet das Ausmaß der kommenden Politikgeplänkel an. Und mittendrin: Der Spieler als Hexer Geralt von Riva.

Inszenierung: das einmalige Witcher-Universum

Die Welt: Fantastik durchwirkt und mittelalterlich, voll Magie und Monstren, Anderlingen wie Elfen und Zwerge, mit Königen und ihren Rittersleuten, Burgen und Schlachten. Das besondere Merkmal der Welt: Was ihr fehlt, ist die idealisierende Aufsplittung der Akteure in Gut und Böse. In diesen Gefilden gibt es nur dreckig und grau, will meinen: Jeder ist sich selbst der nächste und verfolgt seine Interessen, die einer inneren Logik folgen. Die Moralarbeit wird dem Spieler überlassen, der als Monsterjäger zwischen die Fronten gerät, auch wenn die Moral selbst immer wieder von den Figuren thematisiert wird, insbesondere von Geralt dem Hexer. Der nämlich glaubt nicht an gescheite Kriege, kann sich ihnen aber dennoch nicht entziehen.

Die glaubhafte Inszenierung kündigt sich schon im Kerker an, als Geralt angekettet dem Würfelspiel zweier Wachen zusehen muss, die einander des Betrugs verdächtigen. Ihre einfache Natur zeigt sich in ihrer Sprache und ihren Gebaren. Als kleine Fische machen sie sich einen Spaß daraus, den wehrlosen Hexer zu drangsalieren. Ihre Wortwahl ist simpel und vulgär. Ähnlich überzeugend ist der kriegstreibende König Foltest, der durch das Lager seines Belagerungsheeres schreitet, einem Soldaten Mut zuspricht, indem er an gemeinsame Schlachten erinnert, und andere zusammenfaltet, weil sie nicht seinem Willen entsprechen, schließlich sogar selbst handanlegt an der Belagerungsmaschinerie.

Noch nicht viel gespielt, da bin ich schon überzeugt von Geralts Erscheinung: Sie entspricht Sapkowskis Beschreibungen nahezu. Besonders der narbenübersäte Körper des Hexers schafft durch seine detaillierte Gestaltung Glaubhaftigkeit, zum Beispiel durch den wulstigen Bissabdruck auf seiner linken Schulter. Eine derartige Charackterdarstellung markiert Geralt nicht einfach als harten Macker. Sie sind eine nachvollziehbare Folge seines Lebenswandels. Denn: Man mag von Hexerarbeit halten, was man will. Man mag Geralts Fähigkeiten im Kampf bewundern. Doch einer wie er kommt nicht immer ungeschoren davon. Und genau davon erzählen die Narben.

Außerdem: Diesmal ist die deutsche Synchronisation wirklich gelungen. Die Stimmen passen zu den Charakteren und die Texte sind meist sehr gut eingesprochen, sodass echt Feeling aufkommt.

Gameplay: mehr Action, neue Taktik

Mein erster Eindruck vom Kampfsystem ist, dass es nicht weniger taktisch geworden ist, nur weil es actionlastiger daherkommt. Die Taktiken haben sich nur stark verändert, was Spieler des ersten Teils aufstoßen könnte. Erstes Action-Element: Eine Pausetaste gibt es nicht mehr. Auf verschiedene Kampfstile wie etwa gegen starke, schnelle Gegner und Angreifer in Gruppen wurde verzeichtet. Stattdessen wird – zweites Actionelement – entweder schnell oder hart zugeschlagen, und zwar immer auf einen Gegner zur Zeit. Bei mehreren Angreifern gewinnen die Ausweichrollen eine ungeahnte Bedeutung. Sie sind die einzige Chance, den Hieben zu entkommen. Denn selbst wenn man blockt, so wehrt Geralt nur den Gegner vor sich ab, nicht jene, welche von der Seite attackieren. Überhaupt scheint Timing wichtig zu sein: Greifen Geralt und sein Gegenüber gleichzeitig an, so führt der den Angriff zu Ende, der – logischerweise – schneller ist. Da können zwei heransausende Klingen schonmal Funken stiebend gegeneinander scheppern. Oder die eine Klinge setzt gerade noch unter der anderen hinweg und trifft! (Später können allerhand Extrafähigkeiten erlernt werden, welche die Kämpfe erleichtern, zum Beispiel Finishing Moves, die mehrere Gegner mit einem Schlag besiegen, oder die Fähigkeit, Pfeil und Bolzen mit dem Schwert abzulenken. Auch nicht schlecht: im Kampf mit mehreren zu allen Seiten parieren können.)

Mein erster Kampf während der Burgbelagerung im Prolog, den ich ohne die Hilfe von Foltests Männern ausfechten musste, hat Geralt einige Leben gekostet. Von allen Seiten schlugen sie auf den Hexer ein. Armbrustbolzen trafen ihn. Zack, war die Lebensenergie weg. Auf dem harten Wege habe ich so gelernt, dass man ohne die magischen Hexerzeichen nicht weiterkommt. Da gibt es zum Beispiel ein Zauberschutzschild, das Hiebe ablenkt, oder einen Betäubungszauber, der Widersacher taumeln lässt. Gemeinsam mit Bomben und explodierenden Feuerfallen lassen sich ganz neue Strategien austüffteln.

Aber die Kämpfe sind hart: Tränke können nur noch während der Meditation eingenommen werden. Und im Kampf ist bekanntlich wenig Ruhe für eine kurze Sitz- und Gedankenpause. Der Einsatz der Hexerchemikalien will also sorgfältig vorausgeplant sein.

Eins kann ich schon mal sagen: Es fühlt sich wie ein echtes Witcher-Spiel an. Fans werden auf jeden Fall ihre Freude haben.

Letzte Änderung amSonntag, 28 Juni 2020 09:28
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

"Games introduced us to a symbiotic relationship with machines that we took for granted."

(aus Gordon Calleja (2011) In-Game, S.2)

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