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Film

Wingards Manga-Adaption „Death Note“ reicht nicht ans Original

Filmplakat (Ausschnitt) Netflix Filmplakat (Ausschnitt)

Death Note ist die US-Adaption eines Kultmangas, der von der Allmacht erzählt, über Leben und Tod gebieten zu können, und wie das den Menschen korrumpiert.

Rezension

Death Note 1Light (Nat Wolff) ist ein Außenseiter in der Schule, der regelmäßig eine reinkriegt. Das ändert sich, als ein Buch sprichwörtlich aus heiterem Himmel fällt. Nun ja, nicht ganz heiter: Ein Sturm ist aufgezogen, es fängt zu gießen an. Kaum ins Schulgebäude geflüchtet, beäugt Light schon seinen Fund, auf dessen Einband Death Note steht. An die Seite des Teenagers gesellt sich bald darauf der eigentliche Besitzer des Buches, ein Shinigami. Der japanische Todesgott mit Namen Ryuk, beeindruckend gesprochen von Willem Defoe, erklärt Light, dass der Jugendliche fortan Menschen töten könne, deren Gesicht er sich vorstellt und deren Namen er ins Death Note einträgt. Light, der nicht auf den Kopf gefallen ist, entwickelt daraufhin große Pläne. Er will die Welt von allen Verbrechen befreien und notiert im Death Note die Namen von Straftätern, so wie er sie den Medien entnehmen kann. Nicht nur Mia (Margaret Qualley) beginnt sich deshalb bald für Light zu interessieren, auch die Polizei und in ihrem Dienst ein Hochbegabter namens L (Lakeith Stanfield) begeben sich auf die Suche nach ihm. Während Mia und Light über ihre Leidenschaft für das Death Note zueinander finden, entbrennt ein Wettstreit zwischen Light und L: Wird Light gefasst, bevor er den wahren Namen und das Gesicht von L herausfinden kann, um ihn zu töten?

Die jüngste Adaption des Kultmangas Death Note (OT: Desu Nōto) von Autor Tsugumi Ōba und Zeichner Takeshi Obata, diesmal aus den USA, reicht in der Gestaltung des intellektuellen Schlagabtauschs zwischen Light und L nicht an das Original heran. Dafür wirkt Light nicht gerissen genug, der sich zu sehr von Ryuk und Mia leiten lässt, wobei der Todesgott wie ein böser Dämon wirkt, der Light über die Verführung zur Macht zu Fall bringen will, und Lights Freundin wie eine fast zügellose Lustmörderin, die sich an der Entscheidungsgewalt über Leben und Tod aufgeilt. Überhaupt tritt mit der Beziehung zwischen Light und Mia, die es so nicht im Manga gibt, ein ganz neues Motiv hinzu: die Lust am Töten, die sich schließlich in sexueller Erregung Gestalt gibt. Die regelmäßigen Morde an Straftätern sind eigentlich das Einzige, was Light und Mia zusammenhält und schließlich auch wieder zu trennen droht. Wiederum Ryuk scheint im Original weniger der böse Dämon zu sein wie in Wingards Adaption, stattdessen eher der kauzig-gruselige, irgendwie liebenswerte und dann doch unheimliche Begleiter Lights, der einfach so sterbensgelangweilt von der Welt der Shinigami ist, dass er sein Death Note für etwas Unterhaltung aus der Hand gegeben hat. Vor allem hat er eigentlich kein Interesse daran, irgendwelche Menschen in eine Intrige zu verwickeln. Er verhält sich neutral und ist als Zuschauer sogar eher eine Nebenfigur.

Death Note 3Diese legitimen Abweichungen lassen den Stoff amerikanischer bzw. westlicher wirken, da Ryuk plötzlich Parallelen zu einer Teufelsfigur aufzeigt und Mia die Verkörperung einer typischen Frauenfigur ist, die stark sexualisiert ist und durch die Art und Weise, wie sie ihren männlichen Widerpart zum Bösen verlockt, letztlich in die Katastrophe führt. Ein Spannungsmoment des Plots ist die Frage, ob Light diese aufziehende Katastrophe durch sein planerisches Kalkül wird überwinden können. Death Note krankt zudem an dem Versuch, die komplexe Handlung einer zwölfbändigen Mangareihe bzw. eines Animes mit 37 Folgen auf Filmlänge zu bringen, zwar nicht in Gänze, aber doch so weit, dass sich passagenweise das Gefühl einstellt, der eine oder andere Aspekt komme zu kurz. Wer hingegen das Original nicht kennt, könnte die Inszenierung stellenweise einfach nur als lieblos und stark gerafft empfinden. Wenig überzeugend ist unter anderem die eigentlich erstaunliche Wandlung von Lights Charakter, der mithilfe des Death Notes zunächst eine bessere Welt schaffen will, sich aber zunehmend in seinen Allmachtsfantasien verrennt. Insgesamt hat der Film, der sich lose an der Handlung der ersten Mangas orientiert, daher etwas Unfertiges. Dennoch ist er durchaus unterhaltsam und in den Todesmomenten, die das Death Note heraufbeschwört, überraschend splattrig. Das könnte die Handschrift eines gewissen Regisseurs mit Namen Adam Wingard sein. Vielleicht kommt da auch Lights eher trottelig-sympathische Art her, die sich in seinen Wahn mischt und dem Kalkül eines Hochbegabten widerspricht. Im Grunde täuscht hier die Kenntnis des Originals, das eine bestimmte Erwartungshaltung erzeugt: Wingards Light bringt zwar den einen oder anderen cleveren Schachzug an, aber diese Cleverness verträgt sich nicht mit seinem Charakter. Das Finale wirkt daher auch unglaubhaft und abrupt.  Der Light der US-Adaption könnte mit seiner ganzen Art auch in einer Horrorkomödie die Hauptfigur geben, aber hochbegabt wirkt er nicht. Das hebelt natürlich die Grundkonzeption der Vorlage aus und bedingt wahrscheinlich das Gefühl, dass hier etwas nicht mehr stimmig ist.

Death Note 2

Death Note 4Schon bei dem Film The Guest war eine Neuorientierung Wingards in Richtung Mainstream zu erkennen, die schließlich durch die Machart der (remake-artigen) Fortsetzung Blair Witch eindeutig bestätigt wurde und nun mit Death Note weitergeht. Die Neuauflage des bösartigen Rachefilms I Saw the Devil, für die Wingard als Regisseur zumindest schon angekündigt ist, lässt keine solchen Eingeständnisse an die Bedürfnisse eines breiten Publikums zu. Andernfalls verliert der Film einen Teil der Gnadenlosigkeit und Brutalität, die ihn ausmachen – ein Film im Übrigen, der wie Death Note kein Remake bräuchte (bzw. eine US-Adaption; es gibt einige japanische Realfilme bzw. TV-Serien zu Death Note, aber strenggenommen handelt es sich dabei nicht um ein Remake im eigentlichen Sinne, sondern um eine erneute literarische Verfilmung). Aber dies zu monieren, wäre keine neue Kritik und auch keine, die diese beiden Filme allein beträfe. In der US-amerikanischen Filmindustrie ist es gang und gebe, sich Filmstoffe durch Remakes bzw. durch völlig neue Adaptionen anzueignen: Handlung und Figureninventar werden in den USA lokalisiert, oft sogar stark verändert, vermutlich mit dem Hintergedanken, dass diese kulturelle Übersetzung die Inhalte für das Publikum zugänglicher mache. Oft, aber nicht immer geht mit dieser Anpassung eine Verflachung des Stoffes einher. Beispiele hierfür sind unter anderem Remakes wie Quarantine, Pulse oder Funny Games US, aber auch US-Adaptionen wie Let Me In oder Old Boy. Vielleicht ist eine Kritik an dieser Verfahrensweise dennoch nicht angebracht, da die Neuverfilmungen immerhin auf die Originale bzw. vorangegangenen Adaptionen aufmerksam machen und für diese einen neuen Markt erschließen.

Death Note bietet für Fans der zugrundeliegenden Mangareihe kaum Neues, könnte sogar eher enttäuschend sein, während der Film für all jene einen guten Einstieg in die Serie liefert, die sich noch nie damit auseinandergesetzt haben – und das, ohne viel über die Handlung des Originals zu verraten, das diese unterhaltsame, aber teils doch schwache Adaption deutlich übertrumpft.

Trailer zu Death Note

Infobox

„Death Note“

Regie: Adam Wingard  

Drehbuch: Charley Parlapanides, Vlas Parlapanides, Jeremy Slater

Laufzeit: 101 Minuten

Produzent: Lin Pictures, Vertigo Entertainment

Verleih: Netflix

USA 2017

Veröffentlicht am 25.08.2017 als Streaming-Video.

Letzte Änderung amSamstag, 02 September 2017 10:56
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

„If Pac-Man had affected us as kids, we'd all be running around in dark rooms, munching pills and listening to repetitive electronic music.“

Marcus Brigstocke

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