„Sweet, Sweet Lonely Girl“ – Emanzipation, Transformation, Degeneration
- geschrieben von Thomas Heuer
- Publiziert in Film
- Schriftgröße Schriftgröße verkleinern Schrift vergrößern
Fabel über eine junge Frau, die zwischen zwei Beziehungen balanciert
Adele (Erin Wilhelmi) wird verdammt, ihre Tante Dora (Susan Kellermann) zu pflegen. Diese zeigt sich nie und kommuniziert ausschließlich über Zettel mit der jungen Frau. Es sind die 1980er und Adele ist jung. Ihr Körper wird erwachsen, auch wenn sie äußerlich noch recht jung wirkt. Auch in ihrem Verhalten ist die als Außenseiterin inszenierte Adele tadellos, sie tut immer, was von ihr verlangt wird. Bis eines Tages die lebenslustige Beth (Quinn Shephard) in Adeles Leben tritt. Beth lässt sich nichts vorschreiben, sie entscheidet, was sie will und nimmt es sich. Adele ist fasziniert von Beth und wird zunehmend in ihren Bann gezogen. In der Folge durchläuft Adele eine Veränderung. Sie beginnt sich zu emanzipieren, bleibt abends lange weg, sie transformiert sich zu einer jungen Frau, die ihre eigenen Bedürfnisse nennt. Dieser Prozess geht jedoch soweit, dass Adele – unter dem Einfluss von Beth – moralisch zu degenerieren beginnt.
„Die Welt ist im Wandel”, das hat schon Galadriel in Der Herr der Ringe festgestellt. Wandel und Transformation sind der zentrale Inhalt von A.D. Calvos Film Sweet, Sweet Lonely Girl. Aber auch im Rahmen der Festivalaufführung des Films wird deutlich, dass die Filmwirtschaft sich wandelt. Denn der Film wurde für den amerikanischen Genrefilm-Streamingdienst „Shudder“ entwickelt und produziert. In den Zeiten von Streaming haben Filme keinen leichten Stand mehr. Man erinnere sich an Psycho Raman, der parallel zum Fantasy Filmfest 2016 bereits bei Netflix angeboten wurde. Solche Wandel im Markt bergen viele neue Herausforderungen, aber auch viele Chancen. Ein Film wie Sweet, Sweet Lonely Girl ist für ein breites Publikum im Kino oder auf DVD/BD nicht zugeschnitten, kann aber als Beitrag auf einer Streaming Plattform gut funktionieren.
Sweet, Sweet Lonely Girl ist ein „Coming of Age“-Film, eine kunstvoll und langsam inszenierte Erzählung über Tristesse und die Bedürfnisse dreier Frauen, die miteinander verbunden sind. Zweifellos flirrt die Inszenierung ins Phantastische. In der ruhigen Inszenierung wird der Charakterisierung viel Raum gegeben. In der Folge sind die ersten beiden Akte des Werkes stimmungsvoll, verlangen jedoch Konzentration vom Rezipierenden. Dabei kommt Sweet, Sweet Lonely Girl nicht wie ein leicht verdaulicher Unterhaltungsfilm daher, sondern wie ein ernsthafter Film über das Leben einer jungen Frau in den Jahren von Reagans Präsidentschaft in den USA. Es gelingt A. D. Calvo mit wenig Budget und einem exzellenten Cast, den Geist der Achtziger in den Film zu transportieren. Der sympathische Regisseur stand im Anschluss an die Vorführung in Berlin und Hamburg zu Gesprächen bereit. Das Publikum zeigte bedauerlicherweise wenig Interesse an dem Werk, das in den letzten Minuten zu einem pulstreibenden Horrorfilm wird.
In welcher Form der Schrecken sich manifestiert, soll hier dem Urteil des Betrachters selbst überlassen bleiben. Sweet, Sweet Lonley Girl thematisiert komplizierte Beziehungen. Mit viel Fingerspitzengefühl wird die Transformation von Adele inszeniert, die auf ein ungewöhnliches, aber sehr gelungenes Ende zusteuert. Für Fans von anspruchsvollen Horrorfilmen ist Sweet, Sweet Lonely Girl ein Must-See.
Trailer zu Sweet, Sweet Lonely Girl
Infokasten
„Sweet, Sweet Lonely Girl“
Regie: A.D. Calvo
Drehbuch: A.D. Calvo
Laufzeit: 76 Minuten
Produzent: A.D. Calvo, Mike S. Ryan, Budderfly Productions
Verleih: Shudder
USA | 2016
- Coming of Age
- Transformation
- Emanzipation
- Jung und Alt
- Beziehung
- Liebe
- Liebesgeschichte
- Geister
- Geisterfilm
- Dämon
- ruhig
- figurenzentriert
- psychologisch
- Romantik
- Tod
- Homosexualität
- Historienfilm
- 80er
- Fantasy Filmfest 2017
- Shudder
- Streaming
- AD Calvo
- Erin Wilhelmi
- Quinn Shephard
- Susan Kellermann
- Indiefilm
- USA
- Budderfly Productions
- düster
- atmosphärisch
- Fantasy Filmfest

Thomas Heuer
Dr. phil. Medienwissenschaft
Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer
Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie
Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik