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Film

Fantasy Filmfest 2011, Tag 6

Festivalplakat (Ausschnitt) Rosebud Entertainment Festivalplakat (Ausschnitt)

Again: Cthuluide Untiefen plus das schönste Ende der Welt ever:

The Valdemar Legacy 2 und Perfect Sense

Außerdem: Snowtown, The Aussault, Point Blank + Kurfilmprogramm "Get Shorty"

Ein weiterer Tag ohne schlechte Filme. In Kurzrezensionen gibt es heute The Valdemar Legacy 2 und Perfect Sense. Als kleinen Bonus gibt es noch einen Überblick zu den Kurzfilmen des „Get Shorty“-Programms. Zunächst jedoch ein Überblick zu den weiteren Filmen des heutigen Tages: Snotown, The Aussault und Point Blank.

Bei Snowtown handelt es sich um das Spielfilmdebüt von Regisseur Justin Kurzel. Die erzählte Geschichte handelt von einer Gruppe Männer, die sehr viele Morde begehen. Diese Serienmorde richten sich zumeist gegen Homosexuelle. Im Mittelpunkt der Handlung stehen John Bunting (Daniel Henshall, überragend) und Jamie Vlassakis (Lucas Pittaway, großartig). Ersterer ist der Lebensgefährte von Jamies Mutter und liefert diesem die Vaterfigur, die er nie hatte. John zwingt Jamie seinen Lebensstill und seine Anschauungen auf, wodurch er zunächst nur Helfer ist, jedoch später selbst zum Mörder wird. In langsamen Bildern und starken Dialogen, die von den unglaublich gut spielenden und in Szene gesetzten Schauspielern leben, erzählt Snowtown eine Geschichte, die kein gutes Ende nehmen kann. Der Film nimmt sich viel Zeit für die Exposition und geht dann in den Abschnitt über, in dem das Morden beginnt. Die Durchführung der Morde wirkt mit zunehmender Zahl wie etwas Alltägliches. Der Gewinner des Publikumspreises beim Adelaide Filmfestival ist packendes, anspruchsvolles Kino, das kein Genre verwendet, um die Geschichte zu erzählen.

Ein Film, den man nicht beim Fantasy Filmfest erwarten würde, ist der französische Film The Assault. Dieser erzählt die Geschichte der Flugzeugentführung einer Air France Maschine am 24. Dezember 1994. Das geschichtlich inspirierte Drama ist in packenden Bildern inszeniert. Die Geschichte wird aus der Sicht mehrerer Charaktere erzählt, die an der Geiselnahme und deren Auflösung beteiligt waren. Ein Thriller, der diese Bezeichnung wirklich verdient hat.

Den Tagesabschluss macht der Action-Thriller Point Blank. Die französische Produktion handelt von einem Mann, dessen Frau entführt wird. Um sie zu retten, muss er einen Verbrecher aus dem Krankenhaus befreien. Die Geschichte und das Szenario sind nicht neu, ganz anders die Umsetzung: Innovative Ideen und unerwartete Veränderungen machen Point Blank zu einem der besten Filme des Genres in diesem Jahr, vielleicht sogar in den vergangenen Jahren.

Perfect Sense (Kurzrezension)

Das Centerpiece des diesjährigen Fantasy Filmfestes ist Perfect Sense. Eine Liebesgeschichte angesiedelt in einer Welt, die an der Schwelle zur Apokalypse und dem Ende allen menschlichen Lebens auf der Erde steht. Im Handlungsmittelpunkt stehen die Dermatologin Susan (Eva Green) und der Restaurantkoch Michael (Ewan McGregor). Diese lernen sich kennen, als die Welt noch vollkommen in Ordnung ist. Während der Alltag normal stattfindet, tritt vereinzelt eine rätselhafte Krankheit auf, die dafür sorgt, dass die Betroffenen ihren Geruchssinn verlieren. Zuvor durchleben diese jedoch einen heftigen Sinnesschub, danach ist der Geruch verschwunden. Susan und Michael werden zu einem Paar und werden ebenfalls von der Krankheit betroffen. Während Susan an Forschungen für ein Heilmittel gegen die mysteriöse Krankheit beteiligt ist, muss Michael damit leben, dass die Kunden nicht mehr ins Restaurant gehen, da das Essen nicht mehr gerochen werden kann. In tragischen und schönen Bildern wird erzählt, wie die Menschen sich auf die neue Situation anpassen und den Geruchssinn und die damit verbundenen Erinnerungen vergessen. Die Krankheit setzt sich im späteren Verlauf fort und betrifft auch die weiteren Sinne des Menschen.

Ruhig und in wunderschönen Bildern geht die Welt zu Grunde. Die Menschheit blickt in eine dunkle Zukunft, doch die Einzelschicksale sind das was Perfect Sense zu einem wundervollen, emotionalen Film macht. Regisseur David Mackenzie liefert den vermutlich schönsten Endzeitfilm aller Zeiten. Die überragend spielenden Ewan McGregor und Eva Green fesseln den Zuschauer an die Leinwand. Eine Beziehung, auf dem Zenit der Welt beginnend, bis in den Untergang der menschlichen Gattung hinein, die alle „Aufs“ und „Abs“ einer Beziehung durchlebt. Immer vor dem Hintergrund unserer Welt, die immer dystopischer wird und in der sich die Menschen an die neue Situation anpassen. Doch wenn keine Sinne bleiben, wofür lohnt es sich dann zu leben? Es ist schon beinahe grausam, wie der Zuschauer dazu gezwungen wird mit anzusehen, wie eine wahre Liebe entsteht und diese wieder vernichtet wird.

Perfect Sense ist ein ruhiger Film, der passagenweise vollständig auf Ton verzichtet. Die starken Bilder bleiben abwechslungsreich und dennoch stimmig. Einige Handlungsorte stehen im Mittelpunkt, eben die Lebensbereiche der Charaktere. Fast wie eine Symphonie wirkt die Darstellung vom Weltuntergang. Eine traurig-melancholische Stimmung breitet sich im Publikum aus, keine Tuscheleien, kein Knistern von Popcorn-Tüten. Vereinzelt laufen Tränen über die Gesichter, Traurigkeit breitet sich aus und man erkennt die Tragweite des Gesamtkunstwerkes, das sich von der Leinwand direkt in die Herzen der Menschen bohrt. Dort vergräbt es sich, für beinahe 90 Minuten wird dem Publikum verdeutlicht, wie wundervoll es ist, ein sinnliches Wesen zu sein und welche Schönheit davon ausgeht empfinden zu können.

Perfect Sense ist ein Meisterwerk und damit ist nicht das Werk eines Meisters ist gemeint, sondern das Meisterstück, die beste Arbeit. Eine emotionale Reise, bei der die Rezipienten erfahren das Leben wertvoll ist. Ein ruhiger und tragischer Film über eine Liebe in einer verdammten Welt. Das Tor zur Apokalypse war selten in einem Film deutlicher und weiter geöffnet, der Weltuntergang jedoch nie so harmlos wirkend inszeniert. Der beste Film des Jahres bisher und es wird schwer Perfect Sense zu überbieten.

The Valdemar Legacy II: Forbidden Shadow (Kurzrezension)

Nachdem sich der erste Film des Zweiteilers The Valdemar Legacy als gefühlte Exposition entpuppt hat, die durchaus gut gelungen ist, erscheint die Fortsetzung leider etwas unausgereift. Wo sich zuvor noch viel Zeit genommen wurde, um die Abgründe des Valdemar-Anwesens zu beleuchten, reiht sich hier einiges recht abrupt aneinander. Handlungsfäden verschiedener Charaktere treffen wie zufällig aufeinander: Die Immobilienspezialistin Luisa Llorente, die im ersten Teil das viktorianische Anwesen begutachtete und auf der Flucht vor seinem hungrigen Bewohner gekidnappt wurde, stößt im Wald plötzlich auf Nicolás Trémel, dem Polizisten, der ihr Verschwinden aufklären soll. Kurz darauf werden beide ausgeknockt und erwachen im Keller des Anwesens, das selbst leider keine Rolle mehr spielt. Bei ihnen sind passenderweise auch Eduardo und Ana, Kollegen aus der Immobilienagentur, die sich zu Beginn des Films ebenfalls auf die Suche nach Luisa machten.

Kaum sind also alle Protagonisten beisammen, gehts vom Ort des Erwachens - dem Spielzimmer eines Sadisten mitsamt grotesker Photosammlung ehemaliger Opfer - in das Höhlenlabyrinth unterhalb des Anwesens. Dort unten ist die Inszenierung leider weniger stimmungsvoll als in dem alten Gemäuer darüber, unter anderem bedingt durch die wenig glaubhafte Motivation, weshalb die Vier überhaupt dort hinabsteigen. Als Sahnehäubchen gibt es dann ständig nicht so schöne Dialogphasen, in denen vor allem Nicolás nervig erklärt, wie die Welt funktioniert: Sind ersteinmal ebenso plötzlich die bösen Schergen aufgetaucht, hat der Cop gleich eine ellenlange Erklärung parat, wer denn die Kultisten des Cthulhu eigentlich sind und was sie so den Tag über machen. Da hätte ich einen eher investigativeren Plot erwartet. Davon ab findet sich die übliche Cthulhu-Geschichte mit Opfern und Wiedererweckungsversuchen von großen alten Abgöttern, welche die Welt fressen wollen. Der Film ist nur sehenswert, weil es eben ein Cthulhu-Film ist - daher also reine Fankost.

Get Shorty: Das Kurzfilm-Programm

Extrem abwechslungsreich und rasant wegen ihrer notwendigen Knappheit sind Kurzfilme auf jeden Fall ein Hingucker, besonders dann, wenn sie es in die "Get shorty"-Kategorie auf dem Fantasy Filmfest geschafft haben. Auch wenn einige Beiträge, kaum hatte man sie gesehen, auch gleicher wieder in Vergessenheit geraten sind, war es kein Verlust, sie mal erlebt zu haben. Gerade wer viele Filme auf dem Festival schaut, kann sich durchaus mal entspannen in den fast zwei Stunden 'shorties', die von trashiger und extrem goriger Beach-Action in Brutal Relax bis zu dystopischer Gesellschaftkritik mit Zombies als billigen Arbeitssklaven reicht.

Letzteres bietet der schwedische Kurzfilm The Unliving, der durch seine originelle Idee in Erinnerung geblieben ist: Zombies sind dort bare Münze wert. Sie werden von bezahlten Söldner eingefangen und einer Lobotomie per Schlagbohrer unterzogen, die sie zu willfährigen Dienern macht - ausgesprochen nützlich für Industrie und Landwirtschaft, aber auch für den privaten Haushalt vorzüglich geeignet. An allen Ecken und Enden der Handlung ist die gesellschaftlich etablierte Respektlosigkeit gegenüber dem Leben zu spüren, die sich nicht allein auf den Umgang mit den Vermindert-Lebenden beschränkt, sondern auch die Mitmenschen erfasst. Coole Idee!

Kurzweiliges bringen dagegen Kurzfilme wie Bloody Christmas 2 - The Rise of the Christmas Trees, der mal eben das Genre der Monsterfilme auf die Schippe nimmt. In einer Winternacht ist es nichts Gewöhnlicheres als ein Weihnachtsbaum, der die Menschen heimsucht und mit seinem Lametta einfängt, um sie dann dank Christbaumschmuck übel zurichten zu können. Total witzig!

Ebenso unterhaltend ist Hungry Hickory, der unvermittelt in einem schmucklosen Schlafzimmer startet. Eine Frau findet hinter einen seltsamen kleinen Tür ein Tonbandgerät, auf dem seltsame Geräusche zu hören sind. Schnell wird klar: Irgend etwas ist mit der Tür und der Dunkelheit dahinter nicht in Ordnung. Nahezu klassisch baut der Kurzfilm eine Horror-Spannung auf, versetzt mit Schockmomenten. Eine Stimmung, die zuletzt auch eine Prise Humor offenbart. 

Der eingangs erwähnte Kurzfilm Brutal Relax darf hier nicht unkommentiert bleiben: Durch seine bewusst stumpfsinnige Brutalität schafft sich dieser Beitrag seine ganz eigene Ästhetik. Die Handlung überwirft sich dabei nicht mit Komplexität: Meermonster killen Strandgäste, Psychopath killt Meermonster - viel rotes und grünes Blut, eine Menge Knochen, Schädel und eine Kinderleiche, die als Schlagknüppel instrumentalisiert wird. Unglaublich skrupellos macht sich der Film einen Spaß aus Tabubrüchen, spritzendem Kunstblut und der abwechslungsreicher Art, seine Gegner gekonnt umzulegen. Skurril, aber einzigartig.

Skrupellos geht auch der Zeichentrickfilm Judas & Jesus vor. Schon der Titel zeigt, was Sache ist: Protagonist ist hier der Verräter - nicht der Messias, der ziemlich übel karrikiert wird mitsamt der dranhängenden Religion. Ebenso hart trifft es die übrigen Menschen, passenderweise als Schäfchen gezeichnet, die ihre Individualität in der fließenden Wollmenge der Gläubigen verlieren. Besondere Pointe dieses symbolreichen Kurzfilms ist der lapidare Grund, aus dem Judas den Gottessohn bei den Römern verpfeift. Eine bitterböse Satire auf den christlichen Erlösermythos, die an der Oberfläche witzig ist und in der Tiefe durch bildstarke Metaphern bedeutungsschwere Aussagen trifft.

Letzte Änderung amDienstag, 24 August 2021 11:07
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

„Better to write for yourself and have no public, than to write for a public and have no self.“

– Cyril Connolly

 

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