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Film

„Violation“ ist eine Grenzerfahrung

Empfehlung Filmszene (Ausschnitt) Nameless Media Filmszene (Ausschnitt)

Dieses Debüt mit dem Label „Rape and Revenge“ zu etikettieren ist eine grobe Vereinfachung, liefert aber eine erste Annäherung an diesen kunstvoll erzählten Film.

Kurzrezension

Violation polarisiert – so wurde dieser Rape-and-Revenge-Film auf den Stuttgarter Fantasy Filmfest Nights XL angekündigt. Wenn dem tatsächlich so ist, dann liegt das gewiss einerseits an dem Thema der Vergewaltigung, die in einen Racheplot mündet, andererseits mehr noch an dem ästhetisierenden Zugang, den das Regie-Duo Dusty Mancinelli und Madeleine Sims-Fewer für ihr Langfilmdebüt wählt. Über Violation weiß man im Vorwege besser nichts und lässt den Film einfach auf sich wirken. Wer allerdings mehr wissen möchte, hier folgt eine Annäherung an die Besonderheit dieses Films, die auch erklären will, warum die gewählte Ästhetik polarisieren könnte.

v1Erstens: Dass überhaupt eine starke Ästhetisierung vorliegt, dürfte von vielen bei dem gewählten Thema bereits als problematisch angesehen werden, gerade in Deutschland, wo der moralische Impetus oftmals überwiegen soll und dementsprechend eine sachlich-neutrale Distanz eingefordert wird. Zweitens, Violation erzählt achronologisch. Dadurch wird ein neuer zeitlicher Zusammenhang entwickelt, der die für Rape-and-Revenge-Filme typische Gefühlsachterbahn von Verbrechen und Vergeltung verunmöglicht und eine andere Deutung erfordert. Drittens, zwischen die achronologisch angeordneten Sequenzen werden ästhetisierte Naturbilder gemischt, deren symbolischer Gehalt sich erst nach und nach erschließt. Viertens, Teil der Ästhetisierungsstrategie ist die visuelle Grenzüberschreitung, eine violation im künstlerischen Sinne, die sich treffend zur moralischen von Vergewaltigung und Mord aus Rache fügt. Explizite männliche Nacktheit, konkret: ein steifer Penis, ist nicht nur kurz zu sehen. Ebenfalls grenzüberschreitend ist die punktuelle, sehr plötzliche Darstellung visueller Gewalt.

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Fünftens, die Schwerpunkte der Handlung: Vergewaltigung und Rachemord sind im Vergleich zu anderen Rape-and-Revenge-Filmen, wie etwa dem Remake zu I Spit on your Grave (2010), nur kurze Passagen. Für die Konsequenzen beider Taten räumt der Film sehr viel mehr Zeit ein und legt einen Fokus auf die ungeschönte Darstellung von Emotionen, die von den Schauspieler*innen glaubhaft transportiert werden. Madeleine Sims-Fewer spielt selbst die weibliche Hauptrolle Miriam. Schließlich sechstens: Was vielen aufstoßen könnte, ist die Verworrenheit von Täterschaft und Opferrolle, was wiederum zur Achronizität der Erzählung passt. Man möchte nicht zu viel schreiben, um unabsichtlich für eine der beiden Seiten Partei zu ergreifen. Aber auch das – nicht Partei zu ergreifen – kann schon anstößig wirken. Wie das Filmgeschehen letztlich auszudeuten ist, oder ob es schließlich in der Ambivalenz verbleiben muss, überlasse ich im Rahmen einer Filmrezension dem Publikum.

Violation ist eine filmische Grenzerfahrung und damit keine Unterhaltung im herkömmlichen Verständnis. Das heißt aber nicht, dass der Film nicht packend wäre. Vorausgesetzt, man ist für eine Filmästhetik abseits des Gewohnten offen, kann dieser Film zu einem intensiven Seherlebnis werden, einerseits aufgrund des gezeigten Schreckens, andererseits durch die kunstvoll arrangierte Handlung sowie den stark ästhetisierten Bildern, die dem Schrecken die Schönheit der Form entgegensetzen.

 

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Trailer zu Violation

 

Infokasten

„Violation“

Regie: Dusty Mancinelli, Madeleine Sims-Fewer

Drehbuch: Dusty Mancinelli, Madeleine Sims-Fewer

Laufzeit: 107 Minuten

Produzent: Dusty Mancinelli, Madeleine Sims-Fewer

Verleih: Nameless Media

Kanada | 2020

Veröffentlichung: Für Deutschland unklar zum Zeitpunkt der Rezension.

Bildrechte: Die Bilder dieses Artikels sind Ausschnitte aus dem besprochenen Medieninhalt. Deren Rechteinhaber können Sie dieser Infobox entnehmen.

Letzte Änderung amMontag, 02 August 2021 18:51
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

"Games introduced us to a symbiotic relationship with machines that we took for granted."

(aus Gordon Calleja (2011) In-Game, S.2)

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