„Radius“ – ein unsichtbares Band schützt vor dem Tod
- geschrieben von Thomas Heuer
- Publiziert in Film
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Zwei Menschen werden durch das Schicksal aneinandergebunden. Entfernen sich die beiden zu weit voneinander, wird etwas Ungreifbares, aber Tödliches freigesetzt.
In Kürze: 250 Wörter über…
Ein Mann erwacht nach einem Autocrash am Unfallort. Seine Erinnerungen sind ausgelöscht, er weiß nicht, wer er ist oder wohin er will. Alles um ihn herum stirbt jedoch. Bis eine fremde Frau auftaucht, die diesen Effekt negiert. Auch sie hat keine Erinnerungen mehr. Fortan sind die beiden aneinander gebunden; zusammengekettet durch ein unsichtbares Band.
Diesen Umstand weiß der Film gekonnt auszunutzen. Die Protagonisten müssen herausfinden, was geschehen ist, wer sie sind und wem man vertrauen kann. In einem cleveren Spannungsbogen wird ein Szenario ausgedeutet, das dem häufig gegebenem Amnesie-Protoplot neue Impulse gibt. Überzeugende Darsteller und eine durchdachte Ästhetik machen Radius zu einem sehenswerten Film. In einem figurenzentrierten Werk werden Grenzen verschoben und neue ausgelotet – der Konflikt wandelt sich mehrfach über den Verlauf der Geschichte. Durch das partiell ausgelöste Wiedererlagen von Erinnerungsfragmenten löst sich das Puzzle nur schrittweise auf und hält manche Überraschung bereit. Das ist die große Stärke von Radius, der am Ende einen unerwartet krassen Weg beschreitet, um den Konflikt zu lösen.
Spannend bis zum überraschenden Schlusspunkt. Etwas, das die natürliche Ordnung stört und am ehesten im Bereich der Science-Fiction angesiedelt werden kann, wird verwendet, um die Amnesie auszulösen. Zuschauer und Protagonisten tappen in diesem doppelbödigen Thriller bis zuletzt im Dunkeln. Am Ende ist Radius ein spannender Film, der aus der Masse herausragt, den man allerdings nicht gesehen haben muss. Für anspruchsvolle Thrillerfreunde, die einen ästhetisch fotografierten Stil und starke Charaktere mögen, ist dieser Film aber ein Geheimtipp abseits vom Mainstream.
Infokasten
„Radius“
Regie: Caroline Labrèche, Steeve Léonard
Drehbuch: Caroline Labrèche, Steeve Léonard
Laufzeit: 87 Minuten
Produzent: Benoit Beaulieu, Jean Du Toit, Anne-Marie Gélinas
Kanada | 2017

Thomas Heuer
Dr. phil. Medienwissenschaft
Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer
Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie
Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik