Es werde Hölle auf Erden: „The Lords of Salem"
- geschrieben von Thomas Heuer
- Publiziert in Film
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Ein Werk des American Gothic aus der Feder vom Extremhorror-Regisseur Rob Zombie, das voller Anspielungen und Hommagen ist und deutlich subtiler als andere Filme von Zombie.
Rob Zombie ist wenig bekannt für subtile Horrorfilme. Wenn man seinen Namen hört, assoziiert man wohl eher Filmmusik als Regie damit. Kennt man seine bisherigen Filme, dann ruft der Name Zombie Erinnerungen an brutale Horrorkost wie Haus der 1000 Leichen und The Devil’s Rejects oder das Remake von Halloween wach. In seinem neuesten Werk liefert er den wohl besten Satanismus-Film seit Roman Polanskis Rosemarie’s Baby (1968). Diese Aussage ist mitnichten übertrieben. Ähnlich wie seinerzeit Polanski stellt auch Zombie das Leben einer jungen Frau in den Fokus der Geschichte. Doch neben dieser Handlung wird auch die Verbundenheit der Stadt Salem mit der Hexenjagd erzählt. Salem, wird mancher denken: Da war doch was… Richtig! Diese Stadt diente H. P. Lovecrafts Arkham als Vorlage und auch einige inspirierte Werke des Übernatürlichen sind in dieser Stadt angesiedelt. Die Hexenprozesse angeführt von John Hathorne sind weit über die Grenze der Stadt bekannt und so verwundert es wenig, dass sein Ur-Ur-Enkel Nathaniel Hawthorne mit seinen Geschichten rund um das Übernatürliche und Okkulte weltweite Erfolge erlangte. Zombie spielt mit diesen Mythen und verflechtet das Okkulte in das Salem unserer Welt. Dabei wird aus John Hathorne und Nathaniel Hawthorne einfach der Priester Johnathan Hawthorne (Andrew Prine).
Heidi Laroc (Sheri Moon Zombie) ist Radiomoderatorin bei einem Sender in Salem. Dort steht neben Musik primär der Spaß im Mittelpunkt des Konzepts. Dazu gehört es auch, dass Gäste eingeladen werden, die über verschiedene Themen sprechen und dabei nicht selten durch den Kakao gezogen werden. Privat lebt Heidi allein mit ihrem Hund in einem Apartment. Dieses hat sie von Megan (Patricia Quinn) gemietet. Das Apartment Nr. 5, am Ende des Flurs, steht seit Jahren leer. Jedoch beginnt Heidi damit dort Jemanden oder Irgendetwas zu sehen.
Als dann eine Schallplatte in einer Holzbox beim Radiosender abgegeben wird, explizit adressiert an Heidi, beginnt es mysteriös zu werden. Als Heidi die Platte anhört, weckt die schlechte Aufnahme einer simplen Tonfolge ungeahnte Erinnerungen in Heidi. Zunehmend wird die LP der „Lords of Salem“ bekannt, da Heidi diese ebenfalls im Radio abspielt. Wie zufällig geschieht dies in einer Sendung, in der Hexen-Historiker Francis Matthias (Bruce Davison) als Gast im Studio ist. Er ist fortan getrieben, den Hintergrund zu der eingängigen und gleichwohl stumpfen Melodie zu ergründen. Heidi hingegen geht es zunehmend schlechter. Sie verliert den Bezug zur Realität, zu ihren Freunden und dem Leben insgesamt. Immer wieder sträubt sie sich gegen dieses unerklärliche Schicksal, geht zu ihren Drogenentzugs-Runden, sucht gar in der Kirche nach Hilfe. Doch etwas Böses ist in ihrer Nachbarschaft eingezogen und sie vermag es nicht sich diesem zu entziehen. Doch Megans Schwestern Sonny (Dee Wallace) und Abigail (Bonita Friedericy) sind in der Stadt und bieten Heidi zumindest Ablenkung vom Schrecken ihres Alltags. Dennoch schwelt die Dunkelheit und wickelt sich immer fester um Heidi.
The Lords of Salem ist ein Film, an dem sich die Geister scheiden werden. Hexen, die den Teufel anbeten, Menschen opfern und bei heidnischen Riten ihre nackten Leiber aneinander reiben und die Gottlosigkeit zelebrieren. Allein dadurch hat der Film in den USA bereits einen schweren Stand. In der aufgeklärten westlichen Welt Europas, deren Gesellschaft zwar auf christlichen Werten aufgebaut ist, doch die Zugehörigkeit zu einer Religion beinahe überholt erscheint, hat der mündige Bürger gute Chancen sich diesem Film ohne Vorbehalte zu nähern. Tatsächlich ist The Lords of Salem unerwartet kurzweilig, wenn man ihn sieht. Zwar vollkommen anders als alles, was man mit Rob Zombie als Regisseur verbindet, aber gerade deshalb überraschend. Wenn zu Beginn des Films einige Hexen unter der Leitung von Margaret Morgan (Meg Foster) versuchen, den Teufel in die Welt zu bringen und ein Baby opfern, sich gegen Gott und Jesus bekennen und dann nackt ums Feuer tanzen, gelingt es bereits sehr gut eine okkulte Stimmung aufzubauen. Was das genau mit dem Leben von Heidi Laroc zu tun hat, erklärt der Film geschickt.
Zombie nutzt gekonnt Salem als heidnische Kultstätte des Übernatürlichen. Als Fan okkulter Werke wie Young Goodman Brown von Nathaniel Hawthorne oder diversen Texten von Lovecraft, findet man einige Anspielungen. Dadurch liefert der Film eine zusätzliche Inhaltsebene, die nur „quasi-Eingeweihte“ erkennen. Immer wieder nutzt er dieses mögliche Wissen seiner Zuschauer, um verschiedene Elemente zu verbinden. So schreibt Jonathan Hawthorne im Film die Geschichte um den Hexenprozess nieder, jedoch in einer dramaturgischen Wortwahl wie sie Nathaniel Hawthorne in seinen Werken verwendet. Es macht an dieser Stelle einfach Spaß zu spüren, wie Medien ineinander aufgehen und dadurch eine transmediale Ebene geöffnet wird, die es vereinfacht die Zusammenhänge des Films und verschiedenen Zeitebenen zu erfassen.
Für den Fan von okkultem Grusel-Horror gibt es an diesem Film keinen Weg vorbei. In der Inszenierung stimmt einfach alles, grade weil Zombie sich entschieden hat, mit einer gewissen Radikalität zu inszenieren. Dadurch ist der Film nicht nur mutig, sondern auch bemerkenswert. Die Hexen von Salem sind ein spannendes Thema, dem sich hier filmisch angenähert wird. Dabei stehen die Hexenprozesse der Vergangenheit ebenso im Fokus, wie der Niedergang von Heidi oder die Suche nach einer Spur für den Forscher Francis.
The Lords of Salem ist seit langem mal wieder ein ungewöhnlicher Horrorfilm. Entgegen aller Trends erschafft Rob Zombie ein stimmungsvolles und makaberes Werk. Ich bin mir sicher, dass dieser Film in den kommenden Jahren auch in wissenschaftlichen Diskursen eine Rolle spielen wird, denn die Metamorphose zwischen Religion, Heidentum und Okkultem ist in dieser Form lange nicht mehr inszeniert worden. Speziell die Dialektik von Gott und Satan ist beachtenswert und lädt förmlich zur Diskussion ein. Das ist vielleicht einer der Gründe, weshalb dieser kurzweilige Horrorspaß einem dann doch noch eine ganze Weile im Gedächtnis bleibt. Chapeau Rob Zombie!
Trailer zu The Lords of Salem
Infokasten
"The Lords of Salem"
Regie: Rob Zombie
Drehbuch: Rob Zombie
Produktion: Blumhouse Productions
Laufzeit: 101 Minute (uncut)
Verleih: Universal Pictures
USA | 2012
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Thomas Heuer
Dr. phil. Medienwissenschaft
Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer
Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie
Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik