log in

Von Schöpfern und Opfern: „Alien: Covenant“

Filmplakat "Alien: Covenant" (Ausschnitt) 20th Century Fox Filmplakat "Alien: Covenant" (Ausschnitt)

Der zweite Teil des Prequels zu Alien ist ein erzählerischer Ausbrecher in der langen Filmreihe, überrascht dadurch und macht somit nicht jeden glücklich.

Wer nach dem Trailer zu Alien: Covenant erwartet hatte, dass dieser Film eine Rückbesinnung zu den Wurzeln der Serie bieten würde, der wird hier enttäuscht. Der neue Alien ist erstmals weniger ein Slasher als vielmehr ein Science-Fiction-Film in der Form, dass Themen bearbeitet werden, die durch aktuelle oder zukünftige Entwicklungen philosophische oder ethische Konflikte provozieren. Im Fall von Alien: Covenant ist der Xenomorph eine Bedrohung, zweifellos. Doch der eigentliche Antagonist ist nicht die außerirdische Kreatur selbst. Allein dadurch ist Ridley Scotts dritter Beitrag zum filmischen Alien-Kosmos mehr als ein Abarbeiten bekannter Motive und narrativer Versatzstücke, wie es bei Fortsetzungen häufiger der Fall ist. Nun ist die Alien-Reihe nicht bekannt dafür, dass die Filme sich wiederholen, aber einige ikonische Momente und narrative Elemente treten dennoch immer wieder in Erscheinung. Das ist beim neuesten Teil nicht anders, aber dies geschieht innerhalb der Zuspitzung eines anderen Konfliktes, der mit den Überlebenden der Prometheus-Expedition verbunden ist.

AC 1

Zu Alien: Covenant gibt es zwei narrativ einleitende Kurzfilme, die in unserem Alien-Spezial verlinkt sind. The Crossing erzählt die Geschichte von Dr. Elisabeth Shaw (Noomi Rapace) und Android David (Michael Fassbender) weiter, die auf der mutmaßlichen Heimatwelt der Aliens ankommen. The Last Supper gibt einen Einblick in den letzten gemeinsamen Abend der „Covenant“-Crew vorm Kälteschlaf. Hierbei wird deutlich, dass die Besatzung aus Paaren zusammengestellt wurde, die ebenfalls in der Kolonialisierungsmission auf dem Zielplaneten partizipieren sollen. Beide Kurzfilme wecken Erwartungen und helfen den Einstieg in den Film zu erleichtern. Alien: Covenant funktioniert jedoch auch ohne Kenntnis der beiden Kurzfilme.

AC 2Durch eine Beschädigung am Raumschiff wird die Besatzung der „Covenant“ aus dem Hyperschlaf geweckt. Während der anschließenden Reparatur des Solarsegels empfängt Tennessee (Danny McBride) ein schwaches Kommunikationssignal. Dies stammt von einem Planeten, der bisher unentdeckt war und bessere Bedingungen für AC 3die Besiedelung besitzen könnte, als es der Zielplanet der Mission verspricht. Captain Oram (Billy Crudup) entscheidet, das Schiff zum neuen Ziel umzuleiten, auch gegen die Einwände von seinem ersten Offizier Daniels (Katherine Waterston). Begleitet vom Androiden Walter (Michael Fassbender) macht sich ein großer Teil der Besatzung auf den Weg zur Oberfläche. Als die Quelle des Signals gefunden wird, ist es bereits zu spät für das Außenteam, denn ein Ionensturm hält diese auf der Oberfläche gefangen. Das wäre zu verschmerzen, wenn nicht einige Besatzungsmitglieder plötzlich an einem fremdartigen Virus erkranken würden. Bevor das Team weiß, wie ihnen geschieht, steht es mit dem Rücken zur Wand, doch dann taucht unerwartete Hilfe auf.

Das soll es zur Narration von Alien: Covenant an dieser Stelle sein, denn anders als bei den anderen Texten im Alien-Spezial, ist dieser Film heute in den Kinos gestartet. Der neueste Teil der Serie untermauert den dystopischen Tenor von Prometheus und schafft durch eine überraschend langsame Erzählung eine dichte Atmosphäre. Alien: Covenant sticht dabei mitten ins thematische Spannungsfeld von Schöpfung und Gottkomplex, geschaffener Intelligenzen, Sterblichkeit und Evolution. Die Thematik wird unterhaltsam verpackt, wer allerdings klassische pulstreibende Action- und Horrorsequenzen wie in Aliens erwartet, der muss hier lange warten.

Technisch ist der Film einwandfrei, die Effekt- und CGI-Abteilungen haben wirklich exzellente Arbeit geleistet, auch wenn der Xenomporph in manchen Sequenzen als computergeneriertes Wesen erkennbar ist. Alien war immer etwas für die große Leinwand, das ist auch im neuesten Film nicht anders, auch wenn Alien: Covenant eine ruhigere Erzählung verwendet. Der Schrecken wird hier punktuell manifestiert, oftmals in Motiven von Ekel, Tod oder Verstümmelung. Die zentralen Themen des Schreckens schwingen immer mit. Da die Geschichte zwei Pole verwendet, auf der einen Seite die Kolonialisierung einer neuen Welt und somit folglich die Schaffung neuen Lebens sowie auf der anderen Seite eine Welt, in der ein sicherer Tod zu warten scheint, sind hier die Schrecken vermehrt auf einer Metaebene anzutreffen. Das überrascht allerdings kaum, da das Drehbuch von John Logan mitverfasst wurde, der bereist andere Skripte mit anspruchsvoller Thematik im Unterhaltungssektor platzierte (Star Trek: Nemesis, Last Samurai, An jedem verdammten Sonntag).

AC 4

Am Ende wartet der Film mit einem vorhersehbaren Cliffhanger auf, was auf den Nachfolger im nächsten Jahr einstimmen soll. Narrativ wird das vorbereitet, wodurch es wenig überrascht. Gelungen am gewählten Ende ist jedoch, dass dadurch der im Film thematisierte Schrecken auf die nächste Ebene gehoben wird. Hier gelingt es Alien: Covenant, dass sich der Zuschauer auf die Handlung folgenden Schrecken selbst ausmalen kann. Interessant aufgebaut ist zudem die Figurenkonstellation, die eine Crew aus Paaren inszeniert. Durch die Partnerschaften in der Crew werden unterschiedliche Formen von emotionaler Verbundenheit geschaffen. Das ist im Fall der Beziehung von Tennessee und Faris (Amy Seimetz) ein sehr ambivalentes Beispiel. Zum einen ist die starke Bindung der beiden Figuren auch emotional spürbar und exzellent gespielt. Zum anderen ist es jedoch so, dass Tennessee in der Folge eines emotionalen Ausnahmezustands die gesamte Mission gefährdet, um seine Frau zu retten. Auch hier wird ein zentrales Element der Erzählung aufgegriffen: kalte Logik vs. Menschlichkeit. Die neue Richtung der Reihe mag nicht jedem gefallen, in der Summe überwiegt jedoch das Positive an Alien: Covenant, der besonders durch eine ungewöhnliche Ausdeutung des Stoffes, sehr gute Schauspieler und Technik überzeugt.

Seit Aliens – dem zweiten Teil der Reihe – gibt es keinen Film in der Serie, der nicht irgendwie polarisiert. Das ist ein bedeutendes Alleinstellungsmerkmal des Alien-Franchise, denn nur wo stetige Veränderung ist, kann auch etwas Neues entstehen. Darin liegt die Stärke der Serie. Trotz des vorhersehbaren Cliffhangers und einiger kleinerer Schwachpunkte ist Alien: Covenant ein gelungener Film. Dabei ist dieser Film weniger Horror als Sci-Fi, die komplexe philosophische Themen angeht. Rund die letzten 30 Minuten bieten zudem klassisches Alien-Feeling, was eigentlich jeden Fan der Reihe glücklich machen dürfte.

 Trailer Alien: Covenant

Infokasten

„Alien: Covenant“

Regie: Ridley Scott

Drehbuch: John Logan, Dante Harper

Produzent: Scott Free Productions, Brandywine Productions

Laufzeit: 122 Minuten

Verleih: 20th Century Fox

UK´| Australien | Neuseeland | USA 2017

Kinostart: 18.05.2017

Letzte Änderung amFreitag, 18 August 2017 22:47
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

Unter anderem auch das . . .

„Mit Hilfe der Askese soll es manchen Buddhisten gelingen, eine ganze Landschaft aus einer Saubohne herauszulesen. Das hätten die ersten, die Erzählungen analysierten, gerne gekonnt: alle Erzählungen der Welt (sie sind Legion) aus einer einzigen Struktur herauszulesen.“

Roland Barthes in S/Z

Cookie-Einstellungen