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„Wrong“ von Quentin Dupieux

Filmszene (Ausschnitt) Filmszene (Ausschnitt)

In Quentin Dupieuxs Wrong werden Sehgewohnheiten auf die Probe gestellt. Statt der Logik des Realismus folgt dieser Film den irrwitzigen Regeln des Absurden.

Rezension

WRONG FILM 448Schon nach den ersten Minuten wird klar, dass der Film Wrong seinem Titel alle Ehre macht. Denn irgendetwas läuft auf verstörende, zugleich äußerst witzige Weise verkehrt in Dolph Springers (Jack Plotnick) Welt. Von seinem Wecker aus dem Schlaf geklingelt, der Punkt 7.60 Uhr das Bimmeln aufnimmt, begibt sich Dolph in ein Großraumbüro, in dem es permanent aus der Löschanlage regnet, um dort seinen Job zu verrichten, bei dem er nur vorgibt zu arbeiten und eigentlich vor Monaten schon gefeuert wurde. In seiner Freizeit kreisen Dolphs Gedanken um nichts als seinen verschwundenen Hund Paul, der ihm offenbar so teuer ist wie anderen Menschen nur ihre nahsten Freunde und Verwandten. Und ehe der skurrile Plot Fahrt aufnimmt und dem Protagonisten offenbart, dass eine Geheimorganisation seinen Hund entführt hat, vertreibt Dolph sich die Zeit mit einem Anruf bei einem Pizzaservice, bei dem er allerdings nichts bestellen will, obwohl deren Flyer gerade kostenlose Lieferungen anpreisen. Lieber philosophiert er mit der Telefonistin Emma (Alexis Dziena) über den Sinn und Unsinn des Firmenlogos und fragt die Frau auch sonst komplett über den Lieferservice aus, um dann damit zu schließen, dass er im Moment eigentlich keinen Hunger verspüre. Doch dann tritt der geheimnisvolle Master Chang (William Fichtner) in Dolphs Leben und offenbart, dass er den Hund aus einem ganz bestimmten Grund gekidnappt hat.

Das durchaus unterhaltsame Prinzip von Wrong wird schnell deutlich: Hier herrscht Absurdität statt Logik. Regisseur und Drehbuchautor des Films, Quentin Dupieux, stellt den gesunden Menschenverstand seiner Zuschauer auf die Probe und verabschiedet eine uralte Forderung an die Dramaturgie, wie man sie seit Aristoteles kennt: Ein Plot sollte logisch aus sich selbst hervorgehen, will er glaubhaft sein. Dass es auch anders geht, demonstriert Dupieux mit Wrong, und das in einer Detailverliebtheit, die nur dem aufmerksamen Zuschauer bewusst wird. Selbst der Sicherheitsgurt in Dolphs Auto ist so angebracht, dass er keine Sicherheitswirkung mehr erzielt und damit, seiner Funktion beraubt, auch seinen Sinn verliert.

WRONG FILM 563Nach dem Warum darf nicht gefragt werden. Denn genießen kann dieses absurde Spektakel nur, wer sich auf dieses fordernde Filmkonzept einlässt. Andernfalls wird Wrong wie großer Unsinn erscheinen, was dem Film wiederum nicht gerecht würde. Nicht nur kann dieser Film, der keine Erwartungshaltung möglich macht, mit seinen Wendungen überraschen und für den einen oder anderen Witz sorgen. Auch bietet Dupieux mit seiner Idee ein erfrischend anderes Filmerlebnis, das die Vorstellung eines Zuschauers von den Möglichkeiten filmischer Handlung bereichern wird. Dabei schafft es der Regisseur, dass  Wrong nicht in der Beliebigkeit des Absurden untergeht. Haupt- und Nebenhandlung werden durchaus ernstgenommen und zu einem Ende geführt. Noch so bizarre Ereignisse werden später wieder aufgenommen und fortgeführt, sodass, obwohl die Handlung an sich abwegig erscheint, durchaus das Gefühl von Einheit entstehen kann. Derart bricht der Film einerseits mit grundlegenden Gesetzen der Dramaturgie, um andere wiederum weiterhin zu beachten.

Wrong kann für jeden ein großer Spaß sein, der sich nicht an Absurdität stößt und Lust auf eine Komödie hat, die mit den Regeln der Dramaturgie und dadurch mit der Erwartungshaltung des Zuschauers spielt. Aus meiner Sicht ist Dolphs verrückte Odyssee mit dem Ziel, seinen geliebten Hund wiederzufinden, ein gelungener Film, der genau das erreicht hat, was er erreichen will. Es ist interessant zu bemerken, wie schnell man sich an die Unlogik dieser fiktiven Welt gewöhnt, hat man sich ihr erst einmal ergeben.

 

Trailer von Wrong

Letzte Änderung amSonntag, 28 Juni 2020 07:39
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

Unter anderem auch das . . .

„Das Recht zur Kritik ist, sozusagen, ein ästhetisches Naturrecht.“

– Hugo Dinger: Dramaturgie als Wissenschaft. Bd. 1. Leipzig 1904, S. 318.

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