„The Belko Experiment“ – Ratten im Labyrinth
- geschrieben von Thomas Heuer
- Publiziert in Film
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Greg McLean inszeniert in gewohnt heftiger Art einen Überlebenskampf der besonderen Art – nach einem Drehbuch von James Gunn
Kenner des Horrorgenres können spätestens seit Wolf Creek von 2005 etwas mit Greg McLean verbinden. Der Mann steht für heftige, blutige und explizite Horrorinszenierungen. The Belko Experiment ist hierbei keine Ausnahme. Der neueste Film vom McLean wurde jedoch von James Gunn geschrieben, der für unkonventionelle Ideen bekannt ist (Super, Lollipop Chainsaw, Beezle). Gunn ist mittlerweile im Mainstreamfilm angekommen und hat mit Gurdians of the Galaxy und dessen Sequel von sich reden gemacht. Die Kombination der beiden erfahrenen Filmemacher verspricht eine heftige Ausdeutung eines bereits bekannten Ansatzes.
Es ist ein Tag wie jeder andere. Auf dem Weg zur Arbeit steht Mike Milch (John Gallagher Jr.) im Stau auf den Straßen von Bogotá. Die Straßenhändler wollen ihm Nippes andrehen, während er grade mit einem Kollegen telefoniert, weil an diesem Morgen unbedingt noch etwas fertig werden muss.
Kein Tag wie jeder andere. Vor dem Tor des Belko Firmengebäudes stauen sich die Autos. Alle Fahrzeuge werden genauestens untersucht. Die Insassen sind genervt vom langwierigen Prozess, der alles verzögert. Die einheimischen Angestellten werden erst gar nicht ins Gebäude gelassen. Das Sicherheitspersonal ist zudem neu, schwer bewaffnet und gepanzert. Irgendwas stimmt hier nicht, das merken alle Mitarbeitenden.
Endlich ist die Belegschaft in den Großraumbüros angekommen, da sind bereits erste Stereotypen vorgestellt worden, wie der verbissene Wendell (John C. McGinley) oder die taffe Leandra (Adria Arjona). Hinzukommen einige Figuren, die insgesamt einen Durchschnitt der westlichen Gesellschaft abbilden. Als die 80. Person das Gebäude betritt, ertönt eine Stimme (Gregg Henry). Alle Insassen des Gebäudes haben vier Stunden Zeit, um drei Personen im Gebäude zu töten. Daraufhin wird der Komplex abgeriegelt und erste Panik macht sich breit. Als deutlich wird, wie ernst die Lage ist und die mysteriöse Stimme über tödliche Sanktionsmöglichkeiten verfügt, bilden sich im Gebäude Lager. Kleine Gruppen von Menschen, die alle mit dem Kampf ums eigene Überleben konfrontiert werden.
Ein Szenario wie dieses ist zweifellos nicht neu (Battle Royale, 31, The Human Race). Ein grausames soziales Experiment, bei dem herausgefunden werden soll, wie Menschen in extremen Situationen reagieren. Es ist jedoch der Figurenkonstellation und der speziellen Form von Inszenierung geschuldet, dass The Belko Experiment besser funktioniert, als man vermutet. Tatsächlich sind es einige Ideen und die konsequente Inszenierung McLeans, die aus einem häufig behandelten Stoff einen nachhaltig heftigen Film machen. Durch humoristisch orientierte Figuren wie die Betriebskiffer wird der Heftigkeit des Films entgegengewirkt, die ansonsten so brutal und explizit ausgedeutet wird, dass der Film keinen fühlenden Menschen unberührt lassen kann. An Stoffen wie diesem scheiden sich die Geister. Lässt man sich auf den Film ein, wird man eine Erfahrung machen, die nicht wirklich als Unterhaltung verstanden werden kann und sollte.
Wenn Massenhinrichtungen vom Chef angesetzt werden, bei denen zunächst nach kalter Logik und später subjektiv die Opfer gewählt werden, verzichtet der Film zeitweilig auf Musik und konzentriert die Inszenierung auf die Heftigkeit der Bilder. Flehen, beten, betteln, alles nützt nichts. Eine Kugel klingt in jeder Sprache gleich und genau das macht sich der beschriebene Plotpoint zunutze. Im Kino herrscht absolute Stille. Ein Schuss fällt, ein Leben endet. Da der Film viel Raum verwendet, um unterschiedliche Figuren zu charakterisieren und dadurch eine Bindung zum Zuschauenden erzeugt wird, ist diese Hinrichtungssequenz umso gewaltiger in ihrer Wirkung. Ein weiterer Schuss fällt…
The Belko Experiment ist ein schonungsloser Film und verdeutlicht, dass am Ende jeder sich selbst der Nächste ist. Greg McLean nutzt dabei die Gelegenheit, die gesellschaftlichen Masken zu zerschlagen und die Geschichte auf den Überlebensinstinkt zu fokussieren. Das geschieht nicht in einer eindimensionalen Form, sondern in einer vielschichtigen Komposition aus Gewalt, Hoffnung und Tod. Wer The Belko Experiment eine Chance gibt, wird einen Film ertragen müssen, der die eigene Sicht auf die Welt und das menschliche Miteinander hinterfragen lässt. In Zeiten wie diesen ist der Film zudem als eine politische Botschaft oder Kritik zu verstehen. The Belko Experiment ist kunstvoll und dennoch mitten in die Fresse!
Trailer zu The Belko Experiment
Trailer zu The Belko Experiment VR Experience (Spiel auf Steam für htc Vive und Oculus Rift)
Claymation Trailer zu The Belko Experiment (von Lee Hardcastle)
Infoskasten
„The Belko Experiment“
Regie: Greg McLean
Drehbuch: James Gunn
Laufzeit: 89 Minuten
Produzent: James Gunn, Peter Safran
Verleih: Kinostar
USA | 2016
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Thomas Heuer
Dr. phil. Medienwissenschaft
Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer
Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie
Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik