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Licht und Schatten: „Resident Evil: Welcome to Raccoon City“

Empfehlung Filmstill Constantin Film Filmstill

Zwischen Einheitsbrei und Nostalgie ist der neue „Resident Evil“-Film dicht an den ersten beiden Videospielen, aber dann doch erstaunlich weit weg von der Vorlage.

Rezension

RE 2Clair Redfield (Kaya Scodelario) kehrt auf der Suche nach ihrem Bruder Chris (Robbie Amell) zurück nach Raccoon City, nicht ahnend, dass die Stadt in wenigen Stunden von dem Konzern vernichtet werden wird, der die Stadt einst errichtete: Umbrella. Die erste Begegnung der beiden Geschwister verläuft allerdings wenig erfreulich, da Chris seiner Schwester vorwirft, dass sie ihn als Kind im Waisenhaus von Raccoon City zurückgelassen hat und einfach abgehauen sei. Dieser Vorwurf entspricht nicht der vollständigen Wahrheit, da Clair vor einem genetischen Experiment geflohen ist, dass Dr. William Birkin (Neal McDonough) an ihr durchführen wollte. Ein zweiter Handlungsstrang erzählt von Polizist Leon Kennedy (Avan Jogia) an seinem ersten Arbeitstag in Raccoon City. Es ist kein angenehmer Tag für den jungen Mann, da seine Kolleg*innen ihn nicht respektieren und für einen Versager halten. Als dann ein Virus ausbricht und die Menschen beginnen sich zu blutrünstigen Kreaturen zu verändern, beginnt für alle ein Kampf ums Überleben.

Johannes Roberts Videospielverfilmung orientiert sich narrativ an den Videospielklassikern Resident Evil (1996) und dem Remake von dessen Fortsetzung Resident Evil 2 (1998|2019). In der Vorlage werden zwei Teams der Spezialeinheit S.T.A.R.S. (Special Tactics and Rescue Service) in die Stadt Raccoon City entsendet, um dort einen Auftrag zu erfüllen. Direkt nach ihrer Ankunft werden die Teams jedoch angegriffen und fliehen in ein scheinbar verlassenes Anwesen. Dort entfaltet sich die Geschichte um eine geheime Forschungseinrichtung und Experimente an Biowaffen. Dass Resident Evil eine Art Remake des Spiels Sweet Home von 1989 darstellt, ist dabei wohl weniger bekannt. Da Sweet Home auf dem gleichnamigen Film von Kiyoshi Kurosawa aus dem Jahr 1988 basiert, schließt sich mit Roberts Verfilmung eine Art von Kreis der medialen Transformationen.

RE 1

Die vorliegende Verfilmung ist darum bemüht, die Erzählstränge der beiden Videospielvorlagen zu verbinden. Allerdings werden weitreichende Veränderungen am Ursprungsmaterial durchgeführt. Besonders auffällig ist dies im Zusammenhang mit der Ausdeutung der Charaktere. Als Zielgruppe dürfte der Film vornehmlich Personen haben, die die Spiele gespielt haben oder die Spielserie und ihre ikonischen Charaktere kennen. In diesem Zusammenhang erscheint es äußerst überraschend, dass einige der Figuren komplett anders angelegt sind als in der Vorlage. Beispielhaft sollen hier drei der wichtigen Spielfiguren aus Resident Evil und Resident Evil 2 in ihrer filmischen Inszenierung beschrieben werden. Chris Redfield ist im Film ein naiver Charakter, der vor allem jegliche Form von Empathie vermissen lässt. Ob seine Schwester in der ausbrechenden Katastrophe von Raccoon City stirbt, scheint ihm vollkommen egal zu sein. Jill Valentine (Hannah John-Kamen) wird als eine selbstbewusste Frau inszeniert, die nach Albert Wesker (Tom Hopper) schmachtet. Diese Charakterauslegung hat in etwa soviel mit der ursprünglichen Jill Valentine zu tun, wie die von Leon Kennedy, der als ein absoluter Tollpatsch und dümmlichen Nichtskönner inszeniert wird.

RE 3Manche Sequenzen in Resident Evil: Welcome to Raccoon City sind stimmungsvoll und sehr gelungen. Die grundlegende Inszenierung der Stadt, des Herrenhauses sowie der Polizeistation und des Waisenhauses sind stimmungsvoll geraten und dicht an der Vorlage. Die Charaktere wirken deutlich eindimensionaler als in den Videospielen und bereits dort waren diese nicht besonders tiefgreifend ausgearbeitet. In der finalen Filmversion sehen die CGI-Monster besser aus als in dem erstveröffentlichten Trailer. Der Film ist düster gehalten, was insgesamt zur Atmosphäre beiträgt. Doch dann gibt es eben auch die gegensätzlichen Elemente in Resident Evil: Welcome to Raccoon City. Jene Momente, in denen alles komplett konstruiert wirkt, Dinge nicht zusammenpassen oder die Charaktere auf filmische Stereotypen reduziert werden, die bei dem diversen Cast und der Vorlage nicht erwartbar sind: Wesker ist der Coole, Jill ist die Frau, die alle begehren, Leon ist der Dumme. Weniger erwartbar ist, dass Clair als die handlungsführende Protagonistin inszeniert wird. Darüber hinaus ist Clair die einzige Figur, die auftritt wie der Charakter aus der Videospielvorlage. Wie in den Spielen sind die S.T.A.R.S. Teil der lokalen Polizei der Kleinstadt Raccoon City. Daraus ergibt sich im Handlungsverlauf ein kurioser Moment, wenn mit direkten Zitaten auf das Videospiel referiert wird. So kommt es dann, dass zwei Streifenpolizisten, die zunächst das verlassene Herrenhaus vor der Stadt untersuchen, später als das „Bravo Team“ bezeichnet werden. In der Videospielvorlage besteht das „Bravo Team“ allerdings nicht aus zwei Streifenpolizisten, sondern stellt die erste S.T.A.R.S.-Einheit dar, die das Herrenhaus untersucht und zu der jeder Kontakt abgerissen ist, was das Team um Chris, Jill und Wesker überhaupt erst dorthin führt. Im Film wirken Momente wie dieser dadurch mindestens ein wenig albern. Andererseits weckt es auch die Erinnerungen an die eigenen Spielerfahrungen, was positiv ist. Allerdings fehlen in dieser Verfilmung einige wichtige Charaktere aus den Videospielen wie beispielsweise Barry oder Ada Wong. Ada (Lily Gao) taucht jedoch in der Szene nach dem Abspann auf, auch dort in einem Kontext, der sich aus den ersten beiden Videospielen nicht direkt erschließt, sondern erst aus Resident Evil 4.

Fazit: Zwischen Nostalgie und Erwartungshaltung

Resident Evil: Welcome to Raccoon City ist eine Videospielverfilmung, der es gelingt, die grundlegende Atmosphäre ihrer Vorlage einzufangen. Anders als in den bisherigen „Resident Evil“-Filmen wirkt zumindest das Szenario den Spielen entnommen. Allerdings sind die Charaktere derart stark verändert worden, dass in diesen kaum ein Wiedererkennungswert existent ist. In Teilen gelingt es dem Film dennoch atmosphärisch zu wirken, aber nicht ohne diese Atmosphäre kurze Zeit später durch irgendeine dramaturgische, narrative oder inszenatorische Merkwürdigkeit zu negieren. Trotz aller Kritik ist es der bisher wohl beste „Resident Evil“-Film; zugegebenermaßen liegt die Messlatte hier nicht besonders hoch.

RE Poster

Infokasten

„Resident Evil: Welcome to Raccoon City”

Regie: Johannes Roberts

Drehbuch: Johannes Roberts

Vorlagen: Resident Evil (1996, Shinji Mikami, Japan, Capcom), Resident Evil 2 (1998, Hideki Kamiya, Japan, Capcom), Resident Evil 2 Remake (2019, Kazunori Kadoi und Yasuhiro Anpo, Japan, Capcom), Resident Evil 4 (2005, Shinji Mikami, Japan, Capcom), Sweet Home (1989, Tokuro Fujiwara, Japan, Capcom), Sweet Home (1988, Kiyoshi Kurosawa, Japan)

Produktion: Constantin Film, Davis Films

Verleih: Constantin Film

Laufzeit: 107 Minuten (uncut)

Deutschland, Kanada | 2021

Veröffentlichung: Ab dem 24. März im Handel erhältlich als DVD, Blu-ray-Disc, 4K-Blu-ray und Video-on-Demand.

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Letzte Änderung amSamstag, 05 Februar 2022 16:40
Thomas Heuer

Dr. phil. Medienwissenschaft

Forscher, Fotograf, Filmemacher, Journalist, Gamer

Forschungsfelder: Immersionsmedien, Horror, vergleichende Mediendramaturgien, Game Studies, Medienethik und -philosophie

Abschlüsse: Medienwissenschaft M. A., Multimedia Production B. A., Facharbeiter Kommunikationselektronik

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