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Fantasy Filmfest 2011, Tag 7

Festivalplakat (Ausschnitt) Rosebud Entertainment Festivalplakat (Ausschnitt)

Psycho-Mobbing an der Privatschule und Psycho-Backpacking im Wald:

Wasted on the Young und Yellowbrickroad

Außerdem: Cat Run, Chillerama

Der siebente Festivaltag ist etwas kürzer, da Saint nicht gezeigt werden konnte. Allerdings gab es heute die Weltpremiere von Chillerama. Insgesamt kommen wir heute auf vier Filme, ausgiebig betrachten wir heute Wasted on the Young und Yellowbrickroad. Zusätzlich gab es die Action-Komödie Cat Run, mit der wir auch anfangen...

Cat Run ist eine Action-Komödie, die an der Grenze zur Persiflage schrammt. Cat(alina) (Paz Vega) hat eine Festplatte mit Daten gestohlen. Die Datenbesitzer setzen einen Killer auf sie an, doch Cat ist abgetaucht. Auf ihrer Flucht stiehlt sie das Handy von Julian (Alphonso McAuley) und das Auto von dessen bestem Freund Anthony (Scott Mechlowicz). Die Beiden haben zusammen eine Detektei aufgemacht und beginnen nun die Geschichte hinter Cat zu erforschen. Immer einen Schritt vor den beiden jungen Männern ist Helena Bingham (Janet McTeer), die angeheuert wurde, um die Daten zurückzuholen und Catalina zu beseitigen. Cat Run ist ein sehr explizit darstellender Film. Manchmal überschreitet der Film die Grenze zum Albernen, aber das stört nicht, da man ohnehin den gesamten Film über am Lachen ist. Ein potenzieller Kult-Film, der für jeden Filmabend bereitgelegt werden sollte.

Für Trash-Film-Fans gab es heute einen besonderen Leckerbissen zu bestaunen: Chillerama. Angesiedelt in einem Autokino guckt der Zuschauer vier Kurzfilme, die in eine umspannende Handlung eingebettet sind. Dass jeder Teil des Filmes absolut absurd ist, sollte man eigentlich nicht erwähnen müssen. Chillerama bricht mit nahezu jedem Tabu und macht sich über vieles lustig. Ein Muss für Trash-Fans, für alle anderen okay, aber eben trashig. Besonders sehenswert ist der dritte Kurzfilm Diary of Anne Frankenstein, der eine großartige Hitler-/Naziparodie beinhaltet und in Deutsch gedreht wurde.

YellowBrickRoad (Kurzrezension)

Mit einem Händchen immer genau die Filme besonders erwähnenswert zu finden, die bei der breiten Masse nicht gut ankommen, sind wir heute sehr gut aufgestellt. YellowBrickRoad ist ein Psycho-Horrorfilm. Eine Gruppe von Menschen geht in einen Wald, um eine grausame Legende zu hinterfragen und den Bereich neu zu kartographieren. Je tiefer die Gruppe in den Wald gerät, desto bedrückender wird die Situation. Zunächst fällt das GPS-System aus, mit dem man den Weg finden will, irgendwann hören alle eine merkwürdige Musik, dessen Quelle nicht auszumachen ist. Langsam beginnen die ersten Charaktere den Verstand zu verlieren und die Wege trennen sich.

Das Drehbuch ist nicht sonderlich innovativ, die Charaktere wirken stereotyp und auch die technische Seite ist im Durchschnitt anzusiedeln. Warum also ist YellowBrickRoad heute hier im Spezial? Zum einen, weil wir hier noch keinen Psycho-Horrorfilm hatten. Entscheidender ist zum anderen allerdings, dass Filme wie YelloBrickRoad selten geworden sind. Hochwertiger Suspense-Horror wird dieser Tage meist vergeblich gesucht. Natürlich kann zum Vergleich Blair Witch Project verwendet werden, jedoch wird bei YellowBrickRoad auf die subjektive Kamera verzichtet. Hinzu kommt, dass Blair Witch Project ebenfalls höchst umstritten ist, viel Negatives über sich ergehen lassen musste und eine Mockumentory ist. Folglich ist der Vergleich nur auf den ersten Blick logisch. YellowBrickRoad erfindet das Rad nicht neu, setzt nur einige neue Speichen ein, um das Rad stablier zu machen. So werden beispielsweise die meisten Charaktere verrückt und nicht nur einzelne, die permanente Beschallung der Protagonisten drückt auch auf den Zuschauer. Hinzukommt ein überaus gelungener Schnitt des gesamten Filmabschnittes, in dem die Charaktere mehr und mehr verrückt werden. Die einzelnen Schicksale sind interessant dargestellt und teilweise heftig inszeniert.

YellowBrickRoad ist es wert angesehen zu werden. Zwischen Grusel und Spannung ist durchaus noch Platz für Popcorn, Chips und Bier. Man kann den Film wunderbar gemeinsam gucken und diskutieren, selbst wenn es in einer bierseligen Stimmung ist oder nicht nur Horrorfans anwesend sind.                      

Wasted on the Young (Kurzrezension)

Zack ist ganz oben: Als Chef eines Schwimmer-Teams hat der Teenager sportlich Erfolg, die Mädels jubeln ihm zu. Am Wochenende schmeißt er die dicksten Partys, zu denen alle Schüler der Privatschule kommen können, wenn sie Bock haben. Typen biedern sich an, gratulieren ihm, doch wenn Zack sie uncool findet, demütigt er sie. Seine Kumpels geben ihm Rückendeckung. Sie schwimmen mit in seinem Ruhm. Und was Schulaufgaben angeht - dafür hat Zack seinen Stiefbruder Darren, der eher zurückgezogen lebt, auf Partys im eigenen Zuhause lieber in seinem Zimmer bleibt, in das immer wieder knutschende Betrunkene stolpern. Darren schmeißt sie raus. Er will seine Ruhe. Programmieren und Online-Games sind seine Interessen. Seinen Stiefbruder kann er nicht ausstehen, vermutlich ebenso wenig wie der ihn leiden kann. Zack respektiert Darren nicht, aber er lässt ihn in Ruhe. Ihren Kontakt beschränken die ungleichen Brüder aufs Minimalste. Die Familienbande hält: Sie schützt Darren zum einen, setzt ihn zum anderen aber auch immer wieder dem Machtspiel der Alphatiere aus. Bis aufs Äußerste wird diese Konstellation unter Spannung gesetzt, als dem einzigen Mädchen, für das sich Darren interessiert, etwas auf einer von Zacks Techno-Partys zustößt: Xandrie ist am nächsten Tag verschwunden. Als Darren herausfindet, dass die Videos der Überwachungskameras gelöscht wurden, wird ihm klar: Zack hat etwas damit zu tun. Bald genügt es ihm nicht mehr, seinen Stiefbruder nur zu hassen.

Wasted on the Young packt von Beginn an durch die Inszenierung von echten Arschlöchern, die einen Scheiß auf andere geben. Sie sind die Alphatiere und kosten ihre Dominanz voll aus. Mit der Zuspitzung dieser Situation - Xandries Verschwinden - werden die Ausmaße dieses Machtsystems in aller Groteskheit deutlich, geschickt und aktuell vermittelt durch Kommentare in sozialen Netzwerken, die das Meinungsbild der Schüler illustrieren. Durch das Machtgefälle entsteht deutlich der Eindruck von Darrens Ohnmacht. Es fällt leicht, die Alphas zu hassen und sich auf Darrens Seite zuschlagen, der nicht allein die Rolle des Opfers einnimmt. Er weiß seine Computerkenntnisse richtig einzusetzen, um seine Spurensuche voranzutreiben, und nutzt seine Schläue, um die vermeintliche Übermacht der anderen auszuschalten. Es zeigt sich, dass auch Darren besondere Begabungen hat. Mit dem Unterschied nur, dass diese nicht mit derselben gesellschaftlichen Wirkung verquickt sind wie Zacks sportlichen Fähigkeiten. Man will gern übesehen, dass Darren auch der Antiheld mit Amokfantasien ist, in denen er gemeinsam mit Xandrie die Privatschule aufräumt, wunderschön in Bewegung gesetzt und durch Bildartefakte als Stilmittel ins Unwirkliche entrückt. Die Vergeltungswünsche, die der Film entfachen kann, wecken ein instinktives Rechtssystem, das nichts mehr mit sozialen Regeln zu tun hat. Potenziert wird dieses spannende Szenario durch das völlige Fehlen jeglicher Autoritätsperson. Erwachsene kommen nur indirekt vor, vielleicht mal am Telefon, doch selbst treten sie nicht auf. Das Feld ist den Jugendlichen überlassen.    

Letzte Änderung amDienstag, 24 August 2021 11:07
André Vollmer

Schriftsteller. Forscher. Phantast. Am Meer geboren. Gründer von Mellowdramatix.

© 2007 - 2022 Mellowdramatix – Fachmagazin & Blog für Phantastik, Horror, Science-Fiction